ANALYSE. Auch in Deutschland sind Rechte ganz besonders dort erfolgreich, wo kaum Zuwanderer leben, ja Abwanderung herrscht. Das gehört in den Fokus gerückt.
„Keine Ausländerfrage“, lautete der Titel einer Analyse auf dieSubstanz.at nach der EU-Wahl Anfang Juni: Es ging darum, aufzuzeigen, wo das Phänomen Kickl besonders groß ist und die Freiheitlichen denn auch entsprechende Wahlerfolge erzielen. Vergleichbares ist auch in Deutschland feststellbar. Konkret bei den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, wo die rechtsextreme AfD triumphierte.
Hier gibt es – neben vielen Unterschieden – Parallelen: Bei der EU-Wahl wurde die FPÖ Erste, obwohl Harald Vilimsky, ihr Spitzenkandidat, über schlechte Persönlichkeitswerte verfügt(e). Herbert Kickl könnte die Partei nun bei der Nationalratswahl auf Platz eins führen, obwohl er zu den österreichischen Politikern mit den schlechtesten Vertrauenswerten zählt. Im deutschen Bundesland Thüringen holte die AfD gerade mehr als 30 Prozent, obwohl nur gut ein Viertel der Wählerinnen und Wähler laut einer Befragung ihren Vorsitzenden Björn Höcke gerne als Ministerpräsidenten hätte. Die Sehnsucht nach einer Führungsrolle für diese Herren ist begrenzt. Gewählt werden sie trotzdem. Als Absage an das Bestehende oder was auch immer. Im Endeffekt ist es nebensächlich: Die Herren bleiben bei ihrem Führungsanspruch.
Laut einer Wahltagsbefragung in Thüringen machen den meisten Leuten große Sorgen: Eine Zunahme der Kriminalität (81); dass Deutschland in den Krieg in der Ukraine hineingezogen wird (77); dass der Einfluss des Islam im Land zu stark wird (75); dass zu viele Fremde zuwandern (68); und dass der persönliche Lebensstandard nicht zu halten ist (57).
Zumindest das mit dem Islam und der Zuwanderung ist bemerkenswert: Wie in ländlichen Regionen Österreichs müssten sich die Menschen diesbezüglich weniger Gedanken machen. Beträgt der Ausländeranteil bundesweit 14 Prozent, ist er in Thüringen und Sachsen mit sieben Prozent nur halb so hoch.
Wie in Teilen Österreichs, wo die FPÖ besonders stark ist, scheint in Deutschland für die AfD eine negative Entwicklung in der Region der wesentliche Faktor zu sein. Wo Abwanderung herrscht, triumphieren die Rechten. In Sachsen ist die Bevölkerung seit 1990 um 14, in Thüringen gar um 19 Prozent zurückgegangen. Um ein Fünftel also. Schlimmer: Prognosen zufolge wird es so weitergehen.
Das leitet dazu über, dass Befürchtungen, der eigene Lebensstandard werde sinken, in Krisenzeiten überall groß sind, hier jedoch überdurchschnittlich zu sein scheinen. In Thüringen hat sich der Anteil jener, die von ebensolchen geplagt werden, gegenüber 2019 beinahe verdoppelt (plus 26 Prozentpunkte auf 57 Prozent). Was insofern nachvollziehbar ist, als zusperrende Gasthäuser und Geschäfte sowie vorübergehend stark spürbar steigende Preise sowie fundamentale Unsicherheiten (Stichwort Krieg) zusammen eine größere Wucht erreichen, ja ein Gefühl des allgemeinen Niedergangs verstärken.
Und Fremde? Sie sind hier fremd und wirken umso bedrohlicher im Hinblick auf gewohnte Verhältnisse. Zumal gezielte, politische Slogans wie „Zuwanderung ins Sozialsystem“ vermitteln, dass überhaupt nur Fremde schuld an so vielem seien.