Kein Platz für Babler

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ANALYSE. Der Vorsitzende der SPÖ hat zu kämpfen. Zu schaffen machen ihm vor allem auch eigene Parteifreunde. Genauer: Das „Establishment“, gegen das er angetreten ist, lässt ihn auflaufen.

Mit Prognosen sollte man vorsichtig sein. Besonders bei Andreas Babler. Bei der Mitgliederbefragung über den SPÖ-Vorsitz galt er als Außenseiter. Das Ergebnis ist bekannt. Er konnte überraschen, weil er eine Basisbewegung ausgelöst hatte, die kaum ein Beobachter auf dem Radar hatte. Warum? Weil sich auf diesem Radar eher nur Präsidiums- und Vorstandsmitglieder befinden, die traditionell das Sagen haben bzw. hatten.

Auch jetzt weist kaum etwas darauf hin, dass es die SPÖ bei einer Nationalratswahl auf Platz eins bringen könnte. In Umfragen hebt die Partei nicht ab, geht von der Österreich-Tour, bei der Babler sehr vielen Menschen persönlich begegnet, bisher kein messbarer Effekt aus.

Vor allem aber hat der Traiskirchner Bürgermeister als Kanzlerkandidat nicht zustande gebracht, was ihm als Vorsitzendenkandidat gelungen ist: Er hat keine klare Themenhoheit erreicht. Im Gespräch ist eher, was aus der ÖVP kommt. „Normalität“ und die Verankerung von Bargeld in der Verfassung etwa. Natürlich: Zum unmittelbaren Vorteil für die Volkspartei ist das nicht. Im Gegenteil, sie könnte aufgrund der Unbeholfenheit von Karl Nehammer damit eher nur die FPÖ von Herbert Kickl stärken. Das Problem für Babler ist jedoch, dass weniger Platz für seine Themen, wie die 32-Stunden-Woche, bleibt. Dass er sich bei Fragen wie Tempo 100 auf der Autobahn aufhält und zu keiner Erzählung findet, die eine Bewegung auslöst.

Zu Gast im Ö1-Journal umschrieb er sein Programm jüngst mit mehr Gerechtigkeit und Alternativen „für die Vielen“, womit er in der Regel ArbeiterInnen und Angestellte meint. Ob derlei greifen und die Sozialdemokratie wieder zurück in die Führungsposition bringen kann, ist jedoch fraglich. Grund eins: Vielleicht geht es einer Masse nicht so sehr um Gerechtigkeit als um eine Absage an die Politik im Allgemeinen; bzw. an „Eliten“, von denen Kickl daher in jeder Rede zumindest einmal spricht.

Grund zwei: Nicht wenige Menschen haben gerade in Zeiten wie diesen zu kämpfen, werden zum Beispiel als Selbstständige bzw. EPU aber nicht angesprochen von Babler. Gut möglich, dass er gesellschaftliche Veränderungen zu wenig berücksichtigt – im Unterschied zu Christian Kern etwa, der sich gezielt um junge Selbstständige bemühte oder zu Alfred Gusenbauer, der eine solidarische Hochleistungsgesellschaft propagierte.

Andreas Babler hat nicht viel Zeit. Er muss rasch außerhalb der Partei eine Bewegung zusammenbringen, die so erfolgversprechend ist, dass entscheidende Leute in der Partei sagen, okay, der Menn beschert uns wenigstens einen Wahlerfolg, also lassen wir ihn gewähren.

Das Problem ist nämlich folgendes: Babler hat sich gegen ein „Establishment“ in den eigenen Reihen durchgesetzt. Darauf hat er es angelegt. Vorsichtig formuliert hat er es bis heute aber nicht für sich gewonnen. Hans Peter Doskozil mag sich nicht mit ihm zeigen. Georg Dornauer bzw. dessen neue Lebenspartnerin liefern Bilder, die (sach-)politisch belanglos sein mögen, in ihrer Wirkung aber katastrophal sind für die Sozialdemokratie: Der spätpubertierende Schöne, der mit einer Postfaschistin ein tolles Leben genießt; und der zulässt, dass das aller Welt gezeigt wird.

Die Wiener SPÖ von Bürgermeister Michael Ludwig erweckt den Eindruck, sich über Babler an der Parteispitze erfreut zu geben, um Doskozil, den Verlierer, zu demütigen. Inhaltlich kann sie mit seiner Absage an den Lobau-Tunnel oder seiner Ankündigung, über Vorsitzende und allfällige Regierungsprogramme ab sofort die Mitglieder entscheiden zu lassen, wenig bis nichts anfangen.

Bei der Mitgliederfragung im Frühjahr hat Babler nicht zuletzt überraschend gut abgeschnitten, weil Genossinnen und Genossen von der damaligen Amtsinhaberin Pamela Rendi-Wagner enttäuscht gewesen sind und eine Masse Doskozil schlicht abgelehnt hat. Auf dem Parteitag hat er dann mit einer bemerkenswerten Rede begeistert.

Ob eine solche Rede fürs Kanzleramt reichen würde, ist fraglich. Bei der Mitgliederbefragung wurde er persönlich kaum herausgefordert. Jetzt wird er tagtäglich von Landesparteivorsitzenden herausgefordert, die andere Positionen vertreten. Zum Beispiel auch durch den steirischen LH-Stellvertreter Anton Lang, der eine Koalition mit der FPÖ auf Landesebene nach dem Urnengang im kommenden Jahr nicht ausschließt. Das widerspricht dem Kurs von Babler.

Für den 50-Jährigen ist die eigene Partei ein Handicap. Er könnte es nur überwinden, wenn er ihr bald die Aussicht auf einen großen Wahlerfolg sowie die Rückkehr zu einer Regierungsbeteiligung beschert. Allein das würde seine Gegner zum Schweigen bringen.

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