ANALYSE. Worüber Herbert Kickl hinwegtäuscht: Gerade weil er so polarisiert, hat er mit seinen Leuten zumindest bei Direktwahlen schlechte Karten.
Die rechtsextreme AfD sei bei den Stichwahlen um das Oberbürgermeisteramt im deutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen „kleingehalten“ worden, übertreibt ein Politikwissenschaftler. Zwei Wochen zuvor war sie bei der Stadtratswahl in der einstigen Kohle- und Stahlmetropole Gelsenkirchen beinahe auf Platz eins gekommen, nur um einen halben Prozentpunkt hinter der SPD geblieben. Korrekt ist jedoch, dass sie sich nun mit ihren Kandidaten bei keiner Oberbürgermeister-Stichwahl durchsetzen konnte. Auch in Gelsenkirchen nicht.
Es gilt fast schon als Überraschung, ist jedoch nur begrenzt eine solche, wie man von der österreichischen FPÖ weiß, die sich unter Heinz-Christian Strache und zuletzt vor allem Herbert Kickl radikalisiert hat und auch weiterhin tut: Derlei reicht für eine relative, kaum aber für eine absolute Mehrheit. Es sorgt für viele überzeugte Anhänger, aber noch mehr Gegner und Kritiker.
Was zumindest bei Direktwahlen ein Problem ist für Kickl und seine Leute: Norbert Hofer ist 2016 auch vor diesem Hintergrund nicht Bundespräsident geworden. Die Ablehnung, die ihm und seinen Vorstellungen entgegenschlug, war so groß, dass sich Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen in der Stichwahl durchsetzen konnte gegen ihn.
Oder heuer bei der Bürgermeister-Stichwahl in Linz: Michael Raml von der FPÖ musste sich mit 22,9 Prozent begnügen; er blieb chancenlos gegen Dietmar Prammer (SPÖ), der neu im Amt war bzw. erst wenige Monate zuvor dem über eine Affäre gestolperten Parteikollegen Klaus Luger (SPÖ) nachgefolgt war.
Das Ganze wirft auch ein Licht auf die Bundespräsidentenwahl, die 2028 stattfinden wird. Kickl hat gerade angekündigt, dass die FPÖ mit einem eigenen Kandidaten antreten werde. Bemerkenswert ist eher seine Zuversicht. Ohne einen Namen zu nennen, sagt er: „Diesmal werden die Karten ganz neu gemischt und ich glaube, wir werden einen Joker ausspielen.“
Ausschließen kann man nichts. Aber: Kickl wird schwer einen staatstragenden Kandidaten aus dem Hut zaubern, weil ein solcher seinen autoritären Zügen widersprechen würde bzw. müsste. Handelt es sich umgekehrt aber um einen, der ebenfalls „das System“ zerschlagen möchte sowie auf Distanz zur EU geht und die Nähe zu Russland sucht, ist er chancenlos. Dann erreicht fast jeder Gegenkandidat sehr wahrscheinlich über 50 Prozent.