Kaum Wind aus blauen Segeln

-

ANALYSE. ÖVP, SPÖ und Neos bemühen sich, Freiheitliche in der Asyl- und Migrationspolitik alt ausschauen zu lassen. Es wird nicht reichen.

Asylanträge im Inland sollen auf null reduziert werden, Familiennachzug werde mit sofortiger Wirkung ausgesetzt: Das Regierungsprogramm hat hier freiheitliche Züge und das ist kein Zufall. Herbert Kickl und Co. sind zwar nicht dabei, ihnen soll jedoch Wind aus den Segeln genommen werden. Vor allem der ÖVP ist das wichtig; ihr geht es um die über 400.000 Stimmen, die sie bei der Nationalratswahl an die Freiheitlichen verloren hat. Vielleicht, so das Kalkül, gelingt es durch solche Maßnahmen, ein paar von ihnen wieder zurückzugewinnen.

Zumindest Vizekanzler und SPÖ-Chef Andreas Babler sieht sich gezwungen, hier mitzuspielen. Das Seine ist es nicht. Entsprechend mager ist seine Erklärung zur Aussetzung des Familiennachzugs, die gleich einmal kommen soll: Aus Syrien und Afghanistan gebe es ohnehin kaum welchen, sagte er am Montag im Ö1-Morgenjournal. Das stimmt im Vergleich mit den Vorjahren, darüber hinaus jedoch nur bedingt: Von den wenigen (rund 90) gestatteten Einreisen im Jänner entfiel die Hälfte auf afghanische und syrische Staatsangehörige. Im Übrigen gab es noch insgesamt 238 Anträge – davon stammten 80 Prozent (192) von Syrerinnen und Syrern.

Zweitens: Gerade wenn man feststellt, dass das kaum welche sind, wird man den Europäischen Gerichtshof schwer davon überzeugen können, dass quasi ein Notstand herrsche. Wobei das Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) vielleicht sogar vollkommen egal ist. Bis da ein Urteil gefällt ist, ist das Signal, das durch die Aussetzung des Familiennachzugs gesetzt werden soll, längst angekommen bei den Wählern.

Die FPÖ wird dadurch jedoch nicht geschwächt werden. Abgesehen davon, dass ihr diese Signale nicht weit genug gehen und sie behauptet, dass es bei einer „Masseneinwanderung“ bleibe, geht sie immer weiter und fordert etwa „Remigration“.

Außerdem macht sie längst auch auf anderen Feldern Punkte. Zum Beispiel, indem sie Menschen im Gefühl bestärkt, dass die Zeiten immer unsicherer und schlechter werden bzw. indem Kickl mit einer Art „Jetzt erst recht Österreicher zuerst“-Politik darauf antwortet.

Hier bemüht sich die SPÖ um Antworten. Die Mietpreisbremse, die Babler in der Koalition durchgesetzt hat, kann vor diesem Hintergrund gesehen werden. Bloß: Es steigen so viele Preise, es gibt so viele weitere Unsicherheiten (z.B. in Beug auf Arbeitsplätze), dass mehr notwendig wird, um hier Freiheitlichen Wind aus den Segeln zu nehmen.

Vor allem aber gewinnt für Kickl und Co. darüber hinaus ein Kulturkampf immer mehr an Bedeutung. Wie bei Trump geht es gegen eine pluralistische Gesellschaft, gegen eine geschlechtergerechte Sprache und gegen LGBTQ. Es ist schwer zu sagen, wie viele Stimmen sie damit machen, man sollte die Zahl jedoch nicht unterschätzen. Zumal sie hier ohne Konkurrenz agieren.

Mit „sie“ gemeint ist nicht nur Kickl, sondern auch der oberösterreichische Landeshauptmann-Stellvertreter Manfred Haimbuchner. Bei der Aschermittwoch-Veranstaltung in Ried hat er Kanzler Christian Stocker (ÖVP), Vize Babler und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger (NEOS) gerade als „Faschingskommandanten der LGBTQ-Truppe“ bezeichnet.

Das ist ein Code für ihn. Im vergangenen Jahr hat er einmal erklärt, die SPÖ sei eine „rote LGBTQ+-Bewegung“ und gemeint: „Wer in der Früh eine Stund‘ lang überlegen muss, als welches Geschlecht er aufsteht, der kann auch nichts leisten.“ Für diese Klientel mache die SPÖ Politik.

dieSubstanz.at ist ausschließlich mit Ihrer Unterstützung möglich. Unterstützen Sie dieSubstanz.at gerade jetzt >

dieSubstanz.at – als Newsletter, regelmäßig, gratis

* erforderliche Angabe


Könnte Sie auch interessieren

DSGVO Cookie Consent mit Real Cookie Banner