ANALYSE. In der Flüchtlingsfrage hat Werner Faymann dem Druck der ÖVP und aus seinen eigenen Reihen nachgegeben. Für ihn selbst ist das verhängnisvoll.
Zuerst der „Zaun“ und dann die „Obergrenze“: Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) mag von einer „technischen Barriere“ und einem „Richtwert“ sprechen, doch damit schadet er sich nur selbst: Zum einen führt das zu öffentlichem Gespött und zum anderen verstärkt das nur, was ohnehin nicht zu übersehen ist – Faymann hat nachgegeben; ursprünglich hatte er weder einen Zaun noch eine Obergrenze wollen.
Alledem nicht genug, hat er es verabsäumt, dafür zu sorgen, dass er die Debatte zumindest ansatzweise steuert. Der Flüchtlingszustrom hat Österreich einen Ausnahmezustand beschert, der natürlich auch Politiker vor enorme Herausforderungen stellt. Wenn sie aber einmal eine Entscheidung treffen, sollten sie diese auch erklären. Und das würde für Faymann nicht nur bedeuten, sich hin und wieder über eine Liveschaltung vom Ballhauspatz ans Volk zu wenden; sein Tagesgeschäft müsste zur Hälfte vielmehr daraus bestehen, Asylwerber-Unterkünfte zu besuchen, Hilfskräften beizustehen und vor allem auch mit besorgten Bürgern zu sprechen.
Verstärkt notwendig wären solche Aktivitäten, wenn eine Kursänderung unausweichlich erscheint. Doch Faymann hat auf all das verzichtet. Die Folge davon ist, dass er nur noch als Getriebener erscheint: Er setzt um, was seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel vorgibt. Er gibt nach, wenn der Koalitionspartner nur lange genug auf einem Zaun oder einer Obergrenze besteht. Wundert er sich da noch, dass die Stimmung kippt? Hoffentlich nicht.
Summa summarum droht sich Faymann selbst aufzureiben:
- Der Rückhalt bei all jenen in der Bevölkerung und bei seinen Parteifreunden, die seinen ursprünglichen Kurs unterstützt haben, schwindet. Neue Unterstützer wird er kaum gewinnen.
- In die Bundesregierung holt Faymann nun ausgerechnet Hans Peter Doskozil (als Verteidigungsminister), der exakt den entgegengesetzten Kurs von ihm vertritt; nämlich den des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Niessl.
- Und schließlich hat Faymann einen seiner letzten Trümpfe riskiert: Zu seinen Stärken zählte gerade der Einsatz für Flüchtlinge. Das sozialdemokratische Ergebnis bei der Wiener Gemeinderatswahl sei auch „ein Erfolg der menschenwürdigen und solidarischen Politik“ von ihm und Bürgermeister Michael Häupl gewesen, ließ er im Oktober auf der eiges zur Profilierung geschaffenen Website gegenschwarzblau.at wissen. Doch davon hat er sich nun ja verabschiedet. Womit sich die Frage stellt, was ihm noch bleibt. – Es ist nicht mehr viel.