Ist die ÖVP überhaupt bereit?

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ANALYSE. Gestern mit der FPÖ, heute mit der SPÖ: Ob Schwarz-Rot mit der Volkspartei eine belastbare Koalition werden kann, ist fraglich. Zumal diese Sehnsucht nach einem Sebastian Kurz-Comeback nicht verschwinden will.

Wir wollen diese Koalition, an uns soll’s nicht scheitern: Das wollte der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner für die ÖVP wohl über die Rampe bringen mit seiner Botschaft, dass eine Bankenabgabe möglich sei, wie sie von Sozialdemokraten gefordert wird. Tatsächlich spricht viel dafür, dass diese Zusammenarbeit in wenigen Tagen fixiert wird: Nachdem die Volkspartei Verhandlungen mit der SPÖ Anfang Jänner abgebrochen hat und auch mit Herbert Kickl (FPÖ) zu keiner Einigung gekommen ist, muss sie froh sein, es noch einmal mit der SPÖ versuchen zu können. Die Alternative wären Neuwahlen, wäre unter Umständen ein Absturz auf weniger als 20 Prozent für sie.

Eine Koalition aus Überzeugung kann Schwarz-Rot aber kaum werden. Dass sie allenfalls von einem sozialpartnerschaftlichen Geist getragen werden wird, darf nicht darüber hinwegtäuschen. Sie dient aus Sicht der Schwarz-Türkisen eher nur dazu, Schlimmeres für sich selbst zu verhindern.

Die ÖVP hat sich in den vergangenen Jahren auf Bundesebene gezielt abgewendet von der SPÖ und sich ebenso gezielt der FPÖ zugewendet. Ein Ergebnis davon ist vier Mal Schwarz-Blau und einmal Blau-Schwarz in den Bundesländern. Das sind in Summe also fünf Partnerschaften, denen nur noch zwei mit der SPÖ gegenüberstehen (in Kärnten und in Tirol).

Ein Ergebnis davon ist außerdem, dass schwer zu sagen ist, wer aus schwarz-türkiser Sicht übler ist: Herbert Kickl, das „Sicherheitsrisiko“, auf das man sich dann doch beinahe eingelassen hätte oder Andreas Babler (SPÖ), dessen Ablöse zum Beispiel der Tiroler Landeshauptmann Anton Mattle vor wenigen Tagen gefordert hat.

In weiten Teilen von Wirtschaft und Industrie, die der ÖVP wichtig sind, spricht gegen Kickl eher „nur“ dessen antieuropäische Haltung, gegen Babler aber vieles: Steuerfragen, Arbeitszeitfragen etc.

Zur Hinwendung der ÖVP zur FPÖ über die Jahre gehört auch eine entsprechende Gesellschaftspolitik („Leitkultur“, „Normalität“) und vor allem eine ähnliche Migrations- und Integrationspolitik. Zuletzt hatte sich ihr Chef, Christian Stocker, bei den Gesprächen mit Kickl sogar bereit erklärt, sich auf einen „Asylstopp“ einzulassen, den dieser durch Erklärung eines Notstandes zu legitimieren versucht hätte.

Die SPÖ wird auch nach dem Messerangriff in Villach kaum so weit gehen, einen solchen „Asylstopp“ zu fordern. Sie wird bereit sein, gegen Radikalisierungen vorzugehen, die potenzielle Attentäter hervorbringen, und auch Abschiebungen durchzuführen. Ob das der ÖVP reichen kann, ist jedoch fraglich.

Diese „Kann“ ist folgendermaßen gemeint: Nicht zuletzt durch Innenminister Gerhard Karner und Integrationsministerin Susanne Raab (beide ÖVP) ist die Volkspartei bisher bestrebt, unmissverständlich rechtspopulistisch zu agieren. Damit hat sie sich eine bestimmte Wählerschaft erarbeitet, die sie eher nur mit der FPÖ bedienen kann; die sie mit Grünen oder eben der SPÖ an ihrer Seite eher verschreckt.

Wenn jetzt trotzdem Schwarz-Rot zustande kommt, dann wie gesagt aufgrund einer Not der ÖVP. In ihren Reihen wird man sich schwer damit abfinden. Dafür spricht, dass immer wieder Sebastian Kurz ins Spiel gebracht wird. Zuletzt durch die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner sehr konkret Anfang Jänner, als er um ein Comeback gebeten wurde, aber absagte, weil er als Vize unter einem Kanzler Kickl keine Perspektive für sich sah. Dass man mit Kurz noch immer nicht abgeschlossen hat, zeigt, dass man nicht wirklich bereit ist für eine Zusammenarbeit mit der SPÖ. Kurz ist ein Widersprich dazu. Er lehnt die Sozialdemokratie ab.

Im VN-Interview, in dem der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner Kompromissbereitschaft in Bezug auf eine Bankenabgabe zeigte, äußerte er sich auch zur Frage, ob Kurz Spitzenkandidat bei einer Neuwahl werden könnte. Antwort: Nicht nein. Sondern: „Wir haben das in der Partei nie weiterdiskutiert.“ Abgesehen davon gelte, was Kurz selbst sage, „dass er sich aus der Politik zurückgezogen habe“. Na, ersteres kann ja noch kommen und zweiteres kann sich ändern.

Ob man mit Kurz noch ein gutes Wahlergebnis erreichen könnte, ist ungewiss. Laut einer Erhebung, die im Auftrag der Bundesländerzeitungen zur ÖVP-Führungsfrage durchgeführt worden ist, musste er sich wie Karoline Edtstadler mit 18 Prozent begnügen. Stocker kam auf 19.

Vielleicht steht Kurz aber auch nur dafür, das die ÖVP viel abzuschließen und zu klären hat, ehe sie wirklich Neues angehen kann.

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