Faktor Wöginger

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ANALYSE. Dass der ÖVP-Klubobmann als systemrelevant gilt für seine Partei und die Koalition, sagt was über den Zustand eines wesentlichen Teils der Politik.

Die Personaldecke ist dünn. Beispiel SPÖ: In Oberösterreich hat es mehr als ein halbes Jahr gebraucht, bis nach dem Rücktritt von Michael Lindner heuer im Juni ein neuer Vorsitzender nicht nur gefunden, sondern auch bestätigt war (Martin Winkler). In Salzburg dauert es länger: Am 21. Oktober 2024 hat sich David Egger-Kranzinger von der Spitze verabschiedet. Auf Anfrage hieß es jüngst, dass die Nachfolge bis zum Frühjahr 2026 geklärt werden soll.

Glück im Unglück für Andreas Babler an der Bundesparteispitze: Bei solchen Verhältnissen muss er so gar nicht ernst nehmen, was die „Krone“ schreibt. Dass in den Ländern nämlich immer mehr Spitzenfunktionäre BMW fahren würden. Was „Babler Muss Weg“ bedeute. Abgesehen davon hat er ja immerhin einen Markus Marterbauer dafür gewinnen können, Finanzminister zu werden; der ehemalige AK-Ökonom genießt über die Partei hinaus Ansehen. So einen bringen die Genossen in den Ländern eher nicht zusammen.

Die Personaldecke ist dünn. Beispiel Grüne: Die Partei hat von der fünfjährigen Regierungsbeteiligung profitiert. Leonore Gewessler zum Beispiel wäre sonst nicht Ministerin und damit zuletzt auch nicht ihre Chefin geworden. Einerseits. Andererseits sind in dieser Zeit – mit Ausnahme von Lena Schilling – keine neuen Leute aufgekommen. Das ist eine Warnung für die Neos: Bei ihnen ist es jetzt für einzelne Abgeordnete oder Funktionäre schwer bis unmöglich geworden, aufzuzeigen und ein Profil zu entwickeln. Das ist längerfristig nicht ungefährlich für die Partei.

Sehr dünn ist die Personaldecke auch in der ÖVP: Gerne ist in der Vergangenheit zumindest auf Markus Wallner verwiesen worden, als Ausnahmeerscheinung im äußersten Westen. Damit ist es vorbei: Im Vergleich mit Oberösterreich und Tirol ist das Land unter seiner Führung in eine massive Neuverschuldung geschlittert. Kürzungen im Spitalwesen etwa, die alles andere als offen kommuniziert werden, sorgen für massive Proteste. Genauso wie öffentliche Bedienstete, die ohne weitere Konsequenzen für hohe Durchfallraten bei Führerscheinprüfungen gesorgt haben, um dann auch an den Wiederholungen zu verdienen. „Mi subers Ländle“ war einmal. Eine Erneuerung der Partei infolge der Wirtschaftsbundaffäre ist ausgeblieben.

Weiter im Osten hat Johanna Mikl-Leitner ihren Führungsstiel seit der Niederlage bei der Landtagswahl 2023 nach Art ihres Koalitionspartners FPÖ verhärtet. Von der Bundespartei nicht zu reden: Sie leidet mehr denn je darunter, dass Sebastian Kurz 2017 angefangen hat, politische Leichtgewichte um sich zu scharen, die ihm nicht gefährlich werden konnten.

Das ist auch nach seinem Abgang 2021 nicht korrigiert worden. Wie auch? Im Klub saßen Leute, die Kurz mit ausgesucht hatte. Für ihn selbst sprang Karl Nehammer ein; naturgemäß vollkommen unvorbereitet und weil sich sonst kaum jemand angeboten hatte. Für Nehammer wiederum sprang heuer im Jänner Christian Stocker ein; vollkommen unvorbereitet und weil sonst wirklich niemand bereit dazu gewesen war.

Die größte Konstante bei dem Ganzen ist August Wöginger. Kurz wusste schon, warum er einst neben all seinen Leichtgewichten ihn zum Klubobmann gemacht hat: Er kann mit allen und er sorgt dafür, dass das Werkl funktioniert; darauf ist Verlass.

Es ist ein Phänomen: Wöginger kann wirklich mit allen. Jedenfalls mit Parteien: Auf parlamentarischer Ebene hat er nach der Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen eine solche mit den Grünen gemanagt; jetzt sind Sozialdemokraten und Neos an der Reihe.

Wöginger ist für Stocker auch insofern wichtig, als die integrativen Kräfte in der Volkspartei, die nach Ständen und Ländern organisiert ist, so schwach wie noch nie sind und er selbst als Obmann eher nur ein Platzhalter ist: Da braucht es einen, der den Laden zusammenhält.

Das ist keine Rechtfertigung dafür, dass nicht einmal die Frage auftaucht, ob Wöginger infolge der von ihm bestätigten Korruption in Form von Postenschacher in Oberösterreich zurücktreten müsste. Es macht es aber ein kleines Stück weit nachvollziehbar, dass er für Partei und Funktionieren der Koalition als systemrelevant angesehen wird: Das hat was. So tief ist ein wesentlicher Teil der Politik gefallen.

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