ANALYSE. Die Wien-Kandidatin der Partei propagiert linke Politik. Das könnte einerseits erfolgversprechend sein, andererseits aber auch den verhängnisvollen Fallbeileffekt verschärfen.
„Ja, natürlich mache ich linke Politik. Was denn sonst?“ twitterte die neue Nummer eins der Wiener Grünen, Birgit Hebein, am Tag eins nach ihrer Kür. Das wirkt zumindest leidenschaftlich – und das ist etwas, was vielen ihrer Parteikolleginnen und -kollegen in den vergangenen Jahren eher abhandengekommen ist: Sie agierten übervorsichtig, um nur ja nicht als Linke abgestempelt zu werden. Schlussendlich hatten sie zu wenig Profil, um noch große Erfolge feiern zu können.
Die Bestellung von Hebein zur Spitzenkandidatin der Wiener Grünen könnte so gesehen einem gewissen Befreiungsakt geleichkommen: Zumindest in Wien sagen Grüne wieder ganz offen und unmissverständlich, dass sie für linke Politik stehen bzw. „für Menschen, für Menschlichkeit, Gleichberechtigung und den sorgsamen Umgang mit der Umwelt“, wie sie selbst hinzufügt. In der Vergangenheit hat sie bereits gezeigt, was sie darunter versteht, indem sie sich gegen Kürzungen bei der Mindestsicherung stellte bzw. eine Grundsicherung für alle Kinder forderte; und indem sie etwa das Alkoholverbot, das Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) für den Praterstern verordnete, kritisierte.
Aus der Grünen-Sicht ist der Kurs, den Hebein einschlagen möchte, naheliegend.
Aus der Grünen-Sicht ist der Kurs, den Hebein ganz offensichtlich einschlagen möchte, naheliegend: Sie selbst müssen wieder ein eigenständiges Profil entwickeln. Und sie müsse sich vor allem auch von der SPÖ lösen, die unter Ludwig mehr denn je versucht, Wähler zu umwerben, die bereits zu Schwarz-Blau abgewandert sind oder die mit dem Gedanken spielen, das zu tun.
Abgesehen davon ist es aufgelegt, sich links zu positionieren: Wenn die SPÖ in der Mitte sowie die ÖVP und die FPÖ rechts davon stehen, dann ist links extrem viel Platz. Ganz besonders in Wien, wo Schwarz-Blau selbst im Schatten der Flüchtlingskrise bei der Nationalratswahl 2017 auf einen Stimmenanteil von nur 42,9 Prozent gekommen ist. Da wäre es absurd, die Einladung, sich von links aus dagegen zu stellen, nicht anzunehmen. Erst das schafft die Klarheit, auf die viele Wähler erst reagieren.
Das Grünen-Problem: Bei der Wien-Wahl geht es um die Bürgermeisterfrage.
Diese Strategie ist andererseits aber auch riskant: Der Wiener SPÖ kann es im Werben um Sympathisanten von Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache gar nicht passen, mit den Grünen einen Koalitionspartner zu haben, der dieses Unterfangen zunehmend stört. Sie muss irgendwann also die Reißleine ziehen und die Zusammenarbeit notfalls auch aufkündigen.
Zudem wird sich nach der nächsten Gemeinderatswahl rein rechnerisch viel eher Rot-Blau, Rot-Schwarz oder Blau-Schwarz ausgehen als Rot-Grün. Was schon erahnen lässt, worauf es im Wahlkampf hinauslaufen könnte: Bürgermeister Ludwig oder ein freiheitlicher Bürgermeister, der eine wie der andere sehr wahrscheinlich mit ÖVP-Unterstützung. Und Punkt. Das ist bedrohlich für Linke bzw. Hebein und Co., denn damit könnte ein Fallbeileffekt verbunden sein, wonach sie in Ermangelung einer mehrheitsentscheidenden Rolle noch weniger Stimmen bekommen.
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