Gewesslers allerbester Mann

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ANALYSE. Der Wirtschaftsminister hilft der Grünen-Chefin noch viel mehr als der Landwirtschaftsminister.

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) sei der beste Mann von Grünen-Chefin Leonore Gewessler, hieß es vor ein paar Wochen auf diesem Blog. Auch damals hatte es eine Hitzewelle gegeben und das ließ die Nichtklimapolitik des Tirolers so jenseitig erscheinen, dass es selbst der „Krone“ zu bunt wurde: „37 Grad, Unwetter – und was macht der Minister?“

Das hat viel mit Ex-Klimaschutzministerin Gewessler zu tun: Totsching und der ÖVP ist es wichtig, sich von ihr zu distanzieren. Ex-Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) hatte damit angefangen, nachdem die Freiheitlichen in Umfragen davongezogen waren. Dahinter stand die Annahme, dass die Leute am Land nichts mehr aufregt als Klimaschutz; als eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, Verbrenner aus der Welt zu schaffen. Damit würden sie ihr Auto, das ihnen so viel bedeutet, verlieren, müssten sich umstellen. Nicht zu denken.

Also bezeichnete Nehammer Österreich extra als Autoland und schloss – nach Gewesslers Zustimmung zu einer europäischen Renaturierungsverordnung – eine Fortsetzung der Regierungszusammenarbeit mit den Grünen so laut und deutlich aus, dass es alle hörten.

Mit Gewessler sind die Grünen jetzt zwar in Opposition, können sich für das alles aber nur bedanken: Die ÖVP ist um Profilschärfung bemüht und schärft dabei indirekt auch das Profil der Grünen. Wer kein Autoland will, wird ihnen zugetrieben.

Das reicht ihnen aber nicht: Gewessler will mehr. Das ORF-Sommergespräch war eine erste Gelegenheit, das vor einem größeren Publikum zum Ausdruck zu bringen. Zum Teil wirkten Positionen noch unfertig. Zum Teil könnte man glauben, die Budgetmisere, die von Schwarz-Grün geblieben ist, hat allein die ÖVP zu verantworten; was Unsinn ist, die Grünen waren dabei. Zum Teil wirkt Gewessler extrem bemüht, nur ja nicht zu viele Leute zu verschrecken bzw. sie mit sich zu versöhnen. So ist es ihr wichtig, eh auch mit Autofahrern ins Gespräch zu kommen und ihnen zuzuhören.

Ein Schlüsselmoment war jedoch die Passage zur Teilzeit: Da hatte ihr Wirtschaftsminister Wolfgang Hattmannsdorfer (ÖVP) eine Steilvorlage gemacht. Zu schlicht ist, was er dazu liefert, zu sehr geht es ihm darum, einfach nur das Thema Leistung zu pflegen und Teilzeitarbeit als das Gegenteil davon darzustellen.

Wie das bei Teilzeitbeschäftigten ankommt, ist ihm egal. Das sind eher jüngere Frauen, die nie im Leben schwarz wählen. Es ist natürlich dazu angetan, sie zu empören, und das greift Gewessler auf: Viele von ihnen würden sich zurecht fragen, warum ihnen die Regierung, warum ihnen Hattmannsdorfer Faulheit vorwerfe, hatte sie schon vor ein paar Tagen erklärt und wiederholte es nun im Sommergespräch.

Der Wirtschaftsminister bedient ÖVP-Klientel und gibt damit den Grünen die Möglichkeit, dagegenzuhalten und eine ihrer Zielgruppen zu umwerben: Leute in den Städten, die sich fix nicht sagen lassen, wie viel sie zu arbeiten hätten; bzw. kein schlechtes Gewissen machen lassen. Bei denen nicht der Mann 40 und die Frau 20 Stunden arbeitet, sondern beide 30.

Da geht es sogar noch um viel Unmittelbareres als in der Klimafrage. Um Lebensentwürfe und -vorstellungen, Gleichberechtigung wie Selbstbestimmtheit. Da ist die Teilzeitdebatte so, wie sie läuft, ein Geschenk für Gewessler.

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