ANALYSE. Der Ex-Vorstand der Casinos erhielt zum vorzeitigen Abgang extrem viel Geld. Ihm daraus einen Vorwurf zu machen, greift jedoch zu kurz.
Die Volksseele kocht, also versucht auch der Tiroler SPÖ-Vorsitzende Georg Dornauer mitzumischen: Nachdem die Tageszeitung „Der Standard“ berichtet hatte, dass der ehemalige sozialdemokratische Nationalratsabgeordnete Dietmar Hoscher für sein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Vorstand der „Casinos Austria“ mehr als vier Millionen Euro kassiert, de facto also unglaublich viel Geld fürs Nichtstun erhält, forderte er, die Partei möge sich trennen von dem 57-Jährigen.
Das jedoch wäre Ausdruck typischer Symbolpolitik, die über die Wurzel des Problems hinweggeht, aber vorgibt, es gelöst zu haben. Konkret: Hoscher profitiert von einem System. Er hat nicht nur genommen, ihm wurde auch gegeben. Unter anderem ein Aufsichtsrat, in dem etwa Ex-ÖVP-Chef Josef Pröll sitzt, hat mitgespielt.
Damit kein Missverständnis entsteht: Die Millionen für Hoscher sind Herr und Frau Österreicher nicht erklärbar. Sie sind jedoch vor allem moralisch empörend. Und die Emotion darf sich nicht allein gegen ihn selbst, ja nicht einmal nur den Aufsichtsrat dazu richten.
Es geht um viel mehr: Die parteipolitische Einflussnahme auf zu große Wirtschaftsbereiche ist u.a. aufgrund des ausgeprägten Staatssektors unerträglich. Hier geht es um Geld und Macht: Laut jüngstem Einkommensbericht des Rechnungshofes haben im vergangenen Jahr 53 Manager bei Einrichtungen und Unternehmen, die er prüfen darf, mehr verdient als der Bundeskanzler (306.451,60 Euro). Pikant: Die Casinos sind dabei nicht berücksichtigt, sie unterliegen nicht der Kontrolle des Rechnungshofes.
Zur Macht: Die Casinos sind ein gutes Beispiel für parteipolitische Hemmungslosigkeit. Der Bund hält nur ein Drittel des Unternehmens, also nur eine Minderheit. Das hat ihn in der Vergangenheit aber nicht daran gehindert, bei Vorstandsbestellungen mitzumischen; in diesem Sinne haben zuletzt auch ÖVP und FPÖ eine Umfärbung betrieben (Stichwort Sidlo).
Hoscher ist kein Einzelfall, auch nicht als Mitglied der SPÖ: Vor ein paar Jahren ist bekannt geworden, dass der ehemalige Nationalbankpräsident Adolf Wala, ein Sozialdemokrat, (damals) eine Pension in Höhe von 31.915 Euro brutto pro Monat bekommt. Immerhin führte das zu einer Begrenzung unverschämter Luxuspensionen. Sie sind zwar niedriger geworden, bestehen jedoch weiterhin. Selbst ÖVP und FPÖ haben im Rahmen ihrer kurzen Zusammenarbeit nur von einer Abschaffung geredet, eine solche aber nicht durchgezogen.
Doch zurück zur Sozialdemokratie: Das jüngste Glaubwürdigkeitsproblem, das ihr durch Hoscher entstanden ist, würde sie durch dessen Ausschluss nicht lösen. Die Wahrscheinlichkeit, dass morgen ein anderer, vergleichbarer Fall auftaucht, ist groß. Weil sie vom System eben produziert werden und damit gewissermaßen unendlich sind.
Um es an einem ganz anderen Beispiel zu verdeutlichen: Warum kritisiert SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner im Zusammenhang mit der Zusammenlegung der Sozialversicherungen nach ständischen Gruppen (Beamte, Selbstständige, Arbeitnehmer) immer nur, dass eine Drei-Klassen-Medizin entsteht? Warum vergisst sie auf die vierte Gruppe, die privilegierten Mitarbeiter von Ländern und Gemeinden wie Wien, die ihre eigenen Krankenfürsorgeanstalten haben, zu denen nicht einmal die wichtigsten Eckdaten öffentlich gemacht werden? Warum stößt sie sich nicht an solchen Besserstellungen? Es ist ein Rätsel. Zumal sie sich unter solchen Umständen nicht über weitere Privilegien-Berichte wundern sollte. Sie sind vorprogrammiert.
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