ANALYSE. Ex-Sozialministerin Hartinger-Klein gesteht zumindest, wissentlich Unsinn erzählt zu haben. Beim Ex-Kanzler würde es viel größeren Bedarf dazu geben. Ein Überblick.
Das mit der „Patientenmilliarde“ sei nur ein „Marketinggag“ gewesen, hat Ex-Sozialministerin Beate Hartinger Klein (FPÖ) – wie hier berichtet – gestanden. Sie hat zwar fleißig mitgespielt und auf den Euro genau aufgeschlüsselt, wie durch die Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern von 2019 bis 2023 kumuliert eine Milliarde Euro für Patientinnen und Patienten frei werden soll, aber immerhin. Jetzt steht sie dazu, wissentlich Unsinn erzählt zu haben. Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hätte viel größeren Bedarf dazu. Es geht um den Glaubwürdigkeitsverlust von Politik und Verwaltung (Hartinger-Kleins „Berechnung“ stammte ja nicht aus ihrer Partei, sondern aus ihrem Ministerium); es geht um eine Aufarbeitung im Sinne einer Schadensbegrenzung.
Die Sozialministerin behauptet, die „Patientenmilliarde“ sei eine Idee von Kurz-Mitarbeitern gewesen. Wahr ist jedenfalls, dass auch Kurz groß davon gesprochen hat. Zitat zum Beispiel: „Wir sparen im System, wir sparen in der Verwaltung und investieren dafür bis 2023 eine zusätzliche Milliarde Euro für die Patientinnen und Patienten.“
Es war – bei aller Vorsicht – „typisch“. Einfach irgendetwas behaupten: Ins Kanzleramt hat es der ÖVP-Politiker einst mit einem großen „Sparen im System“-Programm geschafft. Je fünf Milliarden Euro wolle er, so der „Kurier“ damals, bei Förderungen und via „Ausgabenbremse“ holen. Ergebnis: Die Förderungen sind weiter gestiegen. Siehe Bericht mit Grafik dazu.
Eine Förderung, die Kurz ganz konkret nannte, war die Parteienförderung. „Unser Ziel ist es, im System zu sparen“, erklärte er dazu 2018 auf Facebook: „Dabei müssen natürlich auch Parteien einen Beitrag leisten – die automatische Erhöhung der Parteienförderung wird daher gestoppt.“
Was heißt hier „wird daher gestoppt“? Sie wurde nicht gestoppt: Zunächst wurde eine Erhöhung vorgenommen, die lediglich kleiner war als gesetzlich vorgesehen, letzten Endes aber die automatische Erhöhung von Jahr zu Jahr quasi in Stein gemeißelt. Hinweise auf die nicht erfolgte Stoppung bezeichnete Kurz dann auch noch als „Falschinformation“.
Expertinnen und Experten aus den unterschiedlichsten Fachrichtungen wunderten sich über so vieles, was der ehemalige Bundesparteiobmann und Hoffnungsträger der ÖVP erklärte. Mediziner beispielsweise über eine Aussage vom Juli 2021, wonach für jeden, der geimpft ist, die Pandemie vorbei sei. Bald darauf waren freilich auch Geimpfte von einem weiteren Lockdown betroffen; und schlussendlich erkrankten fast alle, wenn schon nicht schwer, dann spürbar. Problem: Es widersprach dem, was Kurz glaubte, als Heilsbringer vermitteln zu müssen. Es ist zumindest zu einem politischen Schaden in Form eines größeren Glaubwürdigkeitsverlustes gekommen.