Gastkommentar von Johannes Huber auf VIENNA.AT. Um die Präsidentschaftskandidatin ist es ruhig geworden. Viel zu ruhig, um genau zu sein. Selbst ein Achtungserfolg ist ihr nicht mehr sicher.
Nie zuvor in der Geschichte der Zweiten Republik ist die Stimmungslage für Kandidaten, die weder SPÖ noch ÖVP angehören, so günstig gewesen wie bei der Bundespräsidenten-Wahl: Die Massen haben genug von der Großen Koalition. Sie wollen etwas Anderes. Was, das wissen sie selbst nicht so genau. Hauptsache ist, Rot-Schwarz kommt weg.
Also müsste sich eine Frau wie Irmgard Griss, die sich durch ihre Aufklärungsarbeit in der Causa Hypo Alpe Adria größtes Ansehen erworben hat, leichttun: Sie hat gezeigt, dass sie den „Altparteien“ auf die Finger hauen kann. Und zwar so fest, dass nicht wenige verlangt haben, sie möge doch bitte Staatsoberhaupt werden.
Heute, ziemlich genau ein Monat nachdem sie ihre Kandidatur verkündet hat, ist die Ernüchterung umso größer. Griss ist nicht einmal mehr eine Außenseiterin. Sie ist vielmehr von der Bildfläche verschwunden. Was zum Teil ihr selbst anzulasten ist, zum Teil aber auch außerhalb ihres Einflussbereiches liegt.
In einem professionell gemachten Video hat die 69-Jährige Mitte Dezember verkündet, Bundespräsidentin werden zu wollen. Wobei sie sich auf allgemeine Erklärungen beschränkte. Ehrlichkeit, Mut und Verantwortung will sie in der Politik durchsetzen. Maßstab aller Handlungen soll das Gemeinwohl sein. All das ist schön und gut. Aber auch wenn es nicht selbstverständlich sein mag, kann es noch lange keine Begeisterungswellen auslösen.
Genau das bräuchte die ehemalige Höchstrichtern aber: Sie hat kein Geld für ordentliche Kampagnen. Sie lebt allein davon, dass sich die Leute so sehr von ihr angesprochen fühlen, dass sie sie unbedingt wählen „müssen“ und dass sie auch ihre Bekannten dazu ermuntern. Ein paar Zehntausendmal müsste das in Österreich passieren, damit Griss zur ernstzunehmenden Präsidentschaftskandidatin aufsteigen könnte.
Griss war bisher ohne Mitbewerber und hatte die Bühne damit für sich allein. Genützt hat sie diese allerdings nicht.
Vor allem aber hätte das in den letzten Wochen geschehen müssen: Griss war bisher nämlich ohne Mitbewerber und hatte die Bühne damit für sich allein. Genützt hat sie diese allerdings nicht: Sie hat kein einziges Thema gesetzt, das zumindest in den sozialen Medien diskutiert worden wäre. Sie hat niemanden vor den Vorhang bitten können, der Werbung für sie gemacht hätte.
Das ist fatal, entsteht doch der Eindruck, sie versuche da ein Solostück ohne weiteres Programm. Ja, entfernt erinnert das ein bisschen an Frank Stronach und dessen Kandidatur bei der Nationalratswahl 2013: Viel mehr als drei Schlagworte („Wahrheit, Transparenz und Fairness“) hatte auch er nicht zu bieten. Im Laufe des Wahlkampfes ist er dann komplett abgesoffen.
Pech für Griss ist, dass sie bei dem Thema, das wahrscheinlich wahlentscheidend sein wird, nichts zu melden hat.
Pech für Griss ist, dass sie bei dem Thema, das auch in den nächsten Wochen einzig und allein diskutiert werden wird und das letzten Endes wahrscheinlich auch wahlentscheidend sein wird, nichts zu melden hat. Zu erwarten ist eine brutale Zuspitzung auf die schlichte Formel: für Flüchtlinge oder gegen Flüchtlinge. Schon Politprofi Alexander Van der Bellen tut sich schwer, sich da auf der linken Seite zu positionieren. Andreas Khol hat dagegen keinen Genierer und daher auch kein Problem damit, die rechte Flanke abzudecken. Schickt FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache aber auch noch jemanden ins Rennen, wird er gefordert sein, noch viel stärker zu poltern. Womit Griss gar keine Chance mehr haben wird, auf sich aufmerksam zu machen.