ANALYSE. Nach den Preis- und Gebührenerhöhungen in Wien ist die Partei selbst in Erklärungsnot: Was ist jetzt die Rolle des Staates? Vermittelbare Antworten darauf sind entscheidend für die Zukunft der Sozialdemokratie.
SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner muss davon ausgehen, dass schwierigere Zeiten auf ihre Partei zukommen. Bisher hatte sie einen Lauf, wie man so sagt: Sie hat einerseits (in Umfragen) von ÖVP- und Grünen-Verlusten profitiert; und sie hat es andererseits geschafft, die Teuerung sowie soziale Probleme, die damit einhergehen, frühzeitig zu thematisieren – das ist ihr zusätzlich zugutegekommen.
Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass es so weitergeht: Die Teuerung mag mehr und mehr Menschen zusetzen und die Nachfrage nach einem starken Staat verstärken, wie er am ehesten mit der Sozialdemokratie in Verbindung gebracht wird. Dem steht in der öffentlichen Wahrnehmung aber eine praktische Politik im SPÖ-dominierten Wien entgegen, die irritierend ist.
„Die Preise müssen runter“, fordert Rendi-Wagner seit Monaten und hier etwa auch in einem Gastkommentar in der „Wiener Zeitung“ mit dem Zusatz, dass alles andere nicht helfen werde. Nun kann man davon ausgehen, dass es für sehr viele Menschen keinen Unterschied macht, ob es sich um einen Preis im Supermarkt oder eine Rechnung für den Energieverbrauch oder eine Gebühr handelt. Entscheidend ist, wie viel zu bezahlen ist; und ob es mehr oder weniger wird (oder gleichbleibend ist).
Also muss die SPÖ erst erklären, warum sie in der Zwei-Millionen-Stadt Wien Gebühren für die Wasserversorgung sowie für die Abwasser- und Abfallentsorgung angepasst bzw. in der Wahrnehmung derer, die dafür bezahlen müssen, erhöht hat. Selbst wenn es sich nur um 2,90 Euro pro Monat im Falle eines durchschnittlichen Haushaltes handeln mag. Nicht mehr, sondern weniger war angesagt. Nicht rauf, sondern runter.
Klar, die Anpassung ist nachvollziehbar. Das macht die Sache aber nicht besser aus sozialdemokratischer Sicht. Im Gegenteil: Dass der Staatsteil Wien ebenfalls mit steigenden Kosten konfrontiert ist und diese decken muss, ist das eine. Dass er es die Bürgerinnen und Bürger finanziell spüren lässt, das andere: Kann er sich, in Zeiten wie diesen, nicht verschulden (mit diesem Zugang haben seit der Pandemie nicht einmal mehr Bürgerliche eine Problem)?
Abgesehen davon: Wie kommt der Bund dazu, Massensteuern zu senken (SPÖ-Forderung), wenn es Wien nicht einmal schafft, vergleichsweise kleine Gebühren einzufrieren? Auch das muss man erst einmal erklären können – und zwar so, dass es Wählerinnen und Wählern einleuchtet.
Genauso wie dies: Wien Energie, eine 100-Prozent-Tochter der Stadtwerke, die wiederum zu 100 Prozent der Gemeinde Wien gehört, erhöhte Strom- und Gaspreise. Als Unternehmen auf dem freien Markt muss sie das wohl tun. Was hat die Allgemeinheit dann aber noch davon, dass sie in öffentlichem Eigentum steht? Oder: Wozu soll man zum Beispiel die OMV wieder zur Gänze verstaatlichen (SPÖ Niederösterreich-Forderung), wenn wohl auch ihr dann weiterhin nichts anderes übrigbleiben würde, als zum Beispiel Preissteigerungen weiterzugeben?
Die SPÖ kann liberalisierte Märke ebenso schwer aushebeln wie Fiskalregeln für Gebietskörperschaften. Sie muss sich aber überlegen, wie glaubhaft-sozialdemokratische Politik, die auch vermittelbar ist, unter diesen Umständen ausschauen könnte. Zur Betonung: Es geht darum, dass es auch vermittelbar, für eine Mehrheit also überzeugend ist.