ANALYSE. Bei Postenbesetzungen betreiben die Freiheitlichen ein System, das sie einst bekämpft haben. Ihrer Glaubwürdigkeit ist das nicht zuträglich. Im Gegenteil.
„Establishment“ bezeichnet laut Wikipedia „eine politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich einflussreiche Milieugruppierung oder Klasse, eine etablierte Elite“ – die es sich und ihren Mitgliedern auf Kosten der Masse richtet, wie man in alter freiheitlicher Manier hinzufügen könnte. Als Oppositionspartei hat sich die Partei jedenfalls dagegengestellt. Als Präsidentschaftskandidat hat Norbert Hofer seinem Mitbewerber Alexander Van der Bellen beispielsweise vorgeworfen, Kandidat des Establishments zu sein. Mittlerweile haben Hofer und Co. jedoch die Seiten geweschselt. Und wie.
Dass die neue ÖVP – wie die SPÖ, wo sie noch kann – ziemlich alte Parteipolitik macht, ist schon länger offensichtlich: Sie bezeichnet sich zwar als Bewegung, die sich von schwarz auf türkis umgefärbt hat, und setzt im Übrigen auf Spenden; auf die weltmeisterliche Parteienförderung, die es hierzulande gibt, will sie jedoch nicht verzichten. Oder Machtpolitik: Harald Mahrer zum Präsidenten der Nationalbank zu machen, ist schon ziemlich retro und überhaupt Dings. Von wegen Unabhängigkeit der Nationalbank. Mahrer ist auch Mitglied des ÖVP-Bundesparteivorstandes, Präsident des schwarz-türkisen- Wirtschaftsbundes sowie der überparteilichen Wirtschaftskammer Österreich. Viel mehr Spannungsverhältnisse in einer Person sind undenkbar.
Was die ÖVP kann, ist der FPÖ ebenfalls möglich.
Was die ÖVP kann, ist der FPÖ ebenfalls möglich. Wobei das in ihrem Fall eben dem widerspricht, was sie bis vor gar nicht allzu langer Zeit vorgegeben hat: Gegen das Establishment stehen. Was naturgemäß bedeuten würde, es bei Gelegenheit anders zu machen. Vergessen Sie’s jedoch!
Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian hat in einer SMS schon im vergangenen Jahr deutlich gemacht, wie wichtig seiner Partei die Macht im Nationalbank-Direktorium ist. Jetzt hat sie sie bekommen. Wobei es eben eher um Partei und weniger um Nationalbank- bzw. gesamtösterreichische Interessen ging. Nichts und niemand bringt das besser zum Ausdruck als die Nominierung von FPÖ-Wien-Politiker Eduard Schock zu einem der neuen Direktoriumsmitglieder. Seine Qualifikationen: „Er war neben der Politik bei der Creditanstalt, später Bank Austria tätig und hat dort nach profil-Recherchen keine Bäume ausgerissen. Seit 2006 ruht diese Anstellung, Schock ist vom Bankgeschäft also seit Jahren völlig weg“, wie Stefan Kappacher in seinem Blog zusammenfasst und dabei auch darauf verweist, was in der Ausschreibung eigentlich gefragt gewesen war; u.a „mehrjährige Erfahrung im Bereich Währungs- und Finanzmarktpolitik“.
Ankündigungen von Strache, Pensionsprivilegien den Kampf anzusagen, sind irgendwie in Vergessenheit geraten.
Der freiheitliche Übertritt zum Establishment geht jedoch noch viel weiter: Ankündigungen von Heinz-Christian Strache, Pensionsprivilegien den Kampf anzusagen, sind irgendwie in Vergessenheit geraten; konkrete Vorschläge lassen seit bald einem Jahr auf sich warten. Und überhaupt: Dass sich Strache mehr um Macht als um seine Möglichkeiten als Regierungsmitglied für den öffentlichen Dienst kümmert, sagt eigentlich alles. Als solches könnte er einen Beitrag zu Einsparungen in Höhe von 13 Milliarden Euro leisten, wie sie im blauen Wahlprogramm angekündigt sind, um eine entsprechend große Steuerreform gegenfinanzieren zu können. Doch das ist kein Thema mehr. Und so kann die Entlastung der Masse eben auch von daher nur halb so groß ausfallen.
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