ANALYSE. In der Flüchtlingspolitik ist gegen die ÖVP nichts zu holen für Kickl und Co. Viel eher wird das bei der Ökosteuer möglich sein.
Was wurde aus Herbert Kickl? Vom FPÖ-Chef ist wenig bis nichts zu hören. Gegnerinnen und Gegner sollten sich jedoch nicht zu früh freuen. Zum einen ist da die oberösterreichische Landtagswahl Ende September: Manfred Haimbuchner, Spitzenkandidat, will gerade im Hinblick darauf eine FPÖ „rechts der Mitte, mit einer bürgerlichen Ausrichtung“, die „sowohl regierungs- als auch koalitionsfähig ist“, wie er es in einer Aussendung Anfang Juni zum Ausdruck gebracht hat. Damit möchte er Chancen wahren, Landeshauptmann-Stellvertreter zu bleiben. Sprich: Kickl ist von daher Zurückhaltung auferlegt. Fundamentalopposition wäre störend.
Abgesehen davon hatte der Parteichef bisher nicht viel zu gewinnen: Laut jüngster „Standard“-Umfrage hält die FPÖ mit 18 Prozent kaum mehr als sie bei der Nationalratswahl 2019 erreicht hat. „Migration“, „Flüchtlingspolitik“, „Integration“ bzw. Themen, die die Freiheitlichen in der Vergangenheit in ihrer Art allein besetzten und damit auch punkteten, gehören heute der ÖVP von Sebastian Kurz. Damit hat sie den Freiheitlichen hunderttausende Wählerinnen und Wähler abgenommen – und sie will sie nun auch um jeden Preis halten, wie sie ganz besonders damit zum Ausdruck bringt, dass sie die Abschiebung von afghanischen Staatsangehörigen trotz aller Entwicklungen in ihrem Land formal bis heute nicht stoppen möchte. Umgekehrt ist von der ÖVP auch aus genau diesem Grund keine Bereitschaft zu erwarten, gefährdete Afghaninnen und Afghanen rauszuholen: Sie ist getrieben von der Überzeugung, dass derlei den Freiheitlichen in die Hände spielen würde.
Unbegrenzt wird die neue Volkspartei ihren Kurs, den Freiheitlichen keinen Platz zu lassen, jedoch nicht fortsetzen können: Bei eine Ökosteuer etwa wird sie zunächst auch Unpopuläres hinnehmen bzw. Überzeugungsarbeit dafür leisten müssen (wie sie z.B. ja auch zur Rettung afghanischer MenschenrechtsaktivistInnen möglich wäre). Tut sie das nicht, wird es keine wirkungsvolle Ökosteuer geben.
Vizekanzler und Grünen-Chef Werner Kogler meint, der Einstieg in eine CO2-Besteuerng mit 1. Jänner 2022 sei fix. Details seien jedoch offen. Absehbar ist, dass etwa Spritpreise zumindest schrittweise angehoben werden. Das soll zwar sozial abgefedert werden, indem zugleich etwa die Lohnsteuer gesenkt wird. Das „Mehr auf dem Konto“, das aus letzterem resultiert, dürften viele Menschen jedoch weniger wahrnehmen als das „Mehr für Diesel oder Benzin an der Tankstelle“. Gefühlt könnten sie eher eine Belastung sehen – und sich darüber empören.
Ohne entschlossene Überzeugungsarbeit dafür läuft das auf eine Bedrohung für die ÖVP und ein Fest für die FPÖ hinaus: Ihr Generalsekretär Christian Hafenecker hat nach jüngsten Aussagen von Kogler gerade erst wieder von einem „schwarz-grünen Abzockangriff auf die Mobilität der Österreicher“ gesprochen sowie von einem „grünideologischen Belastungswahn“ und einem „ökomarxistischen Klimawahnsinn“. Er wittert die Chance.
Die Wortwahl ist absurd, die Wirkung sollte jedoch nicht unterschätzt werden: Besonders bei der ländlichen, rechts der Mitte stehenden Bevölkerung kann sich das verfangen. Und sie zählt zur Kernklientel der neuen ÖVP.
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