ANALYSE. Die Übertragung der ÖVP-Kommunikation an den Kurz-Vertrauten ist eine innenpolitische Weichenstellung. Bläulich-türkise Politik ist wieder angesagt. Die Reaktion der Grünen tut nichts zur Sache.
Der ÖVP-Ethikrat wird kein Problem damit haben, dass Gerald Fleischmann (wieder) zum Kommunikationschef der Österreichischen Volkspartei aufsteigt. Er steht geneinsam mit Sebastian Kurz nicht nur für „Message Control“ und das „Projekt Ballhausplatz“, im Zusammenhang mit Umfragen und mutmaßlicher Inseratenkorruption („Beinschab-Tool“) wird auch gegen ihn ermittelt. Es gilt die Unschuldsvermutung. Und allein das, also Rechtliches, ist relevant für den Ethikrat. Auch wenn es aufgrund seines Namens befremdlich wirken mag.
Die ÖVP und ihr Obmann, Karl Nehammer, haben auch kein Problem mit Fleischmann. Sonst hätten sie ihn nicht zurückgeholt (aus dem Parlamentsklub). Sie halten sehr viel von ihm und trauen ihm zu, Schadensbegrenzung für die krisengeschüttelte Partei betreiben zu können.
Unter Sebastian Kurz ist Fleischmann bereits „der“ Kommunikationschef gewesen: Er hat sich um alles gekümmert. Grünen-Mediensprecherin Eva Blimlinger fand es „unvereinbar“, dass er gleichzeitig Kanzlerbeauftragter für Medienthemen und in der Regierung zuständig für die Darstellung der ÖVP-Seite war. Das war umso problematischer, als in jener Zeit auch ein Großteil der Regierungsinserate ins Kanzleramt wanderte und Fleischmann berüchtigt dafür war, Journalisten gegenüber Unmut über nicht kanzlergefällige Berichterstattung ziemlich unverblümt mitzuteilen.
Der Mann steht für einen Kurz’schen Zugang zur Politik: Diese orientiert sich an Umfragen und bemüht sich um die passende Message. Sie wiederum wird mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln und Möglichkeiten unter die Leute gebracht. Diskurs? Unerwünscht.
Karl Nehammer läutet jetzt also eine dritte Phase seiner Sebastian-Kurz-Nachfolge ein: In einer ersten, die nicht lange währte, signalisierte er, einen Neubeginn anzustreben. In einer zweiten versuchte er auf seine Weise, gewisse Akzente zu setzen; zum Beispiel in der Weltpolitik. Bis ihn die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner daran erinnerte, dass er innenpolitisch gefordert sei und auf steigende Strompreise reagieren sollte. Erfolgreich war er damit nicht. Nach 37,5 Prozent bei der Nationalratswahl 2019 hält seine Partei nur noch rund 20 Prozent.
Jetzt kommt Phase drei und unter den gegebenen Umständen geht mit Fleischmann eine innenpolitische Weichenstellung einher: Die ÖVP will nicht nur wieder blau-türkise Politik machen, sondern diese auch vermitteln könnten. Zuletzt ist sie dabei ja kläglich an sich selbst gescheitert: Klubobmann August Wöginger hat ausdrücklich eine Überarbeitung der Europäischen Menschenrechtskonvention gefordert. Er wollte damit ein Signal setzen. In der Sache musste die Partei das jedoch ebenso zurücknehmen wie die Vetodrohung ihres Innenministers Gerhard Karner gegen einen Schengen-Beitritt von Kroatien. Auch das sollte in Zeiten zunehmender Flucht- und Migrationsbewegungen ein Signal sein. Koste es, was es wolle. Letzten Endes ist es jedoch auch innenpolitisch gescheitert, weil man es nicht durchziehen konnte.
Der Job von Fleischmann ist es, eine konsequente Linie zu entwerfen. Damit Reden und Tun zusammenpassen und nicht alle Wählerinnen und Wähler, die Kurz den Freiheitlichen abgenommen hat, zu diesen zurücklaufen. Sprich: Die ÖVP will sich nicht eine neue Mitte erarbeiten, sondern ihre 2017er, 2019er Klientel pflegen, so gut es halt noch geht.
Das werden die Grünen zu spüren bekommen. Abgesehen von den persönlichen Rechnungen, die Fleischmann mit ihnen offen hat, nachdem sie zur Ablöse von Sebastian Kurz beigetragen haben, ist für Klimaschutz und dergleichen kein Platz mehr. Für Korruptionsbekämpfung sowieso nicht. Nehammer zeigt diesbezüglich weniger Problembewusstsein denn je.