Falscher Kanal

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ANALYSE. „SPÖ eins“ hat einen holprigen Start hingelegt: Die Partei tut sich nichts Gutes damit.

Wenn man bedenkt, wie viel Aufmerksamkeit der österreichischen Sozialdemokratie bzw. ihrem Plan zuteil geworden ist, einen eigenen „Fernsehkanal“ in die Welt zu setzen, ist der Auftakt bescheiden gelaufen. Nach drei Tagen ist der erste und bisher einzige Beitrag kaum mehr als 15.000 Mal aufgerufen worden. Das entspricht 0,16 Prozent der Gesamtbevölkerung des Landes oder 1,5 Prozent der Stimmen, die die SPÖ bei der vergangenen Nationalratswahl erhalten hat.

Zum Vergleich: dieSubstanz.at-Beiträge werden meist weniger oft geklickt. Wenn aber einer viral geht, dann öfter. Wie jener zum Pensionsalter Mitte Oktober, bei dem das über 35.000 Mal der Fall war.

Vielleicht ist das alles kein Wunder: Der achtminütige „Wochenrückblick“ der SPÖ ist unaufgeregt. Die Partei will zeigen, was sie bewegt und wie sie gewisse Dinge sieht; „Rekordgewinne“ von Banken beispielsweise. Das Ganze kommt vor allem aber bemüht locker daher, die Moderatorin ist mit dem Publikum per Du. Entspricht das der Partei? Ist sie neuerdings jugendlich?

„SPÖ eins“ ist der zweite österreichische „Parteikanal“ und wird daher am ersten gemessen, also an „FPÖ TV“. Quantitativ ist das aussichtslos für sie: Herbert Kickl lässt hier auf seine Weise mit seinen Themen agitieren und polarisieren sowie Stimmung machen gegen Geflüchtete, angebliche Wokeness etc. Das pfeift auf „Youtube“, die entsprechende Seite hat eine Viertelmillion Abonnenten. Es liefert neben einen Hinweis darauf, was gewisse neue und soziale Medien machen mit der Gesellschaft und der politischen Auseinandersetzung bzw. was durch sie befeuert werden kann.

Für die SPÖ ist es daher schwer bis unmöglich, hier quantitativ Vergleichbares zu erreichen. Vor allem so nicht. Gut möglich, dass Andreas Babler mit einer leidenschaftlichen Rede pro Monat mehr Leute erreichen würde als ihr „Wochenrückblick“, aber die Partei will ja ein redaktionelles Angebot liefern; und zwar ganz offensichtlich auf Augenhöhe von Menschen, die sich weniger mit Politik beschäftigen und es nicht so haben mit klassischen Medien.

Die SPÖ tut sich nichts Gutes mit ihrem „Fernsehkanal“: Nicht nur, dass sie hier eben quantitativ chancenlos ist gegen die FPÖ und so, wie sie es anlegt, auch abseits der FPÖ kaum jemanden an sich binden kann, sie setzt sich außerdem dem Vorwurf aus, mit durchaus großzügiger Parteienförderung ein journalistisch wirkendes Angebot aufzuziehen, während unabhängiger Journalismus wirtschaftlich zugrunde geht. Was umso verhängnisvoller ist für sie, als sie mit Babler ja den Medienminister stellt.

Angemessener wäre es eventuell, Babler würde zum Beispiel zu den Leuten „draußen“ gehen, wie man so sagt, einmal pro Monat an einem anderen Ort in Österreich eine seiner erwähnten Reden halten und ein Video davon online stellen lassen. Angemessener wäre es im Übrigen, sie würde journalistische Arbeit unabhängigem Journalismus überlassen, dem sie nebenbei nicht länger durch üppige Inserate de Stadt Wien für Gratiszeitungen zusetzt.

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