Es rächt sich

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ANALYSE. Für einen, der „Volkskanzler“ werden möchte, herrschen in Österreich paradiesische Verhältnisse.

Gerne wird daran erinnert, dass Herbert Kickl (FPÖ) als Innenminister den Boulevard bevorzugt habe bei der Vergabe von Inseraten. Auch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ist darauf aufgesprungen. Und wenn man die Zahlen anschaut, dann wirkt es wirklich so. Bloß, wie hier im Nachrichtenmagazin „News“ nachgezeichnet, entsprach die einseitige Vergabe von Kickl ziemlich genau der einseitigen Vergabe seines Vorgängers im Ressort, Wolfgang Sobotka (ÖVP). Abgesehen davon sind auch die Nachfolger nicht groß abgewichen davon: Auf Kosten der Steuerzahler bevorzug(t)en alle ganz einfach „Krone“, „Heute“ und „Österreich“. Es ist Willkür, die einem demokratischen Rechtsstaat nicht würdig ist – und die einem, der antritt, „Volkskanzler“ zu werden, daher nur gefallen kann.

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Die Medienpolitik, die ÖVP und in Teilen auch die SPÖ zu verantworten haben, trägt dazu bei, dass Herbert Kickl geradezu paradiesische Verhältnisse vorfindet. Schwarze waren sich nicht zu dumm, die „Wiener Zeitung“ als gedruckte Zeitung einzustellen und ein Online-Medium daraus zu machen, in das u.a. zur Journalismusausbildung jährlich 15 Millionen Euro gesteckt werden. Klingt gut. Abgesehen davon, dass sich die Frage stellt, wie sich andere Medien ohne eine vergleichbare Hilfe behaupten sollen gegen einen solchen Mitbewerber, gibt es einen verhängnisvollen Punkt bei dem Ganzen: „WZ“ ist direkt dem Kanzleramt zugeordnet. Ein Geschenk für Kickl. Man müsste sich wundern, würde er nicht ein Medium zu seinen Gunsten daraus machen. Schwarze haben offenbar geglaubt, das Kanzleramt bleibe ihnen ewig. Irrtum.

So wie sie offenbar auch geglaubt haben, dass ihnen der Einfluss auf den ORF über den Stiftungsrat ewig bleibe. Ein Schmarren. Ergebnis: Zumal es in den vergangenen Jahren zu keiner Entparteipolitisierung des öffentlich-rechtlichen Anbieters gekommen ist, muss die FPÖ, muss Kickl nicht viel ändern, um schon zu viel anrichten zu können.

Es ist wie bei den Inseraten, die seit Werner Faymann um sehr viel Steuergeld ungeniert freihändig vergeben werden. Ob von der Stadt Wien oder der Bundesregierung bzw. einzelnen Ressorts: Kickl kann eine Unkultur fortsetzen, die schon zu lange praktiziert wird. Und er kann damit einen „Standard“ in größere Nöte treiben, nur weil ihm dieser missfällt (sein Wiener Parteichef Dominik Nepp spricht offen von einem „Scheißblatt“ und hofft, dass es bald vorbei ist mit diesem).

Herbert Kickl wird viel versprechen und allerhand behaupten können. Weil gerade eine Budgetsanierung angesagt ist: Er ist nicht der erste, der auf die zweite Nachkomastelle genau behauptet, wie viel durch dies und jenes lukriert werden soll. Und er wäre nicht der erste, bei dem hinterher nicht kontrolliert wird, wie viel wirklich zusammengekommen ist. Derlei ist die Ausnahme. Es steht dafür, dass man es nicht so genau nimmt. Für einen gewissen Schlendrian.

dieSubstanz.at hat in den vergangenen Tagen versucht, herauszufinden, wie sich das gesamtstaatliche Defizit von rund vier Prozent heuer zusammensetzt. Wie viel also auf Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen entfallen dürfte. Es kann niemand sagen. Man weiß es nicht, zumal keine Informationen zu den Ländern und Gemeinden insgesamt vorliegen. Es scheint aber auch niemanden zu stören, obwohl es relevant wäre, weil der Bund ja wissen muss, wie viel er einzusparen hat. Würde man glauben.

Herbert Kickl wird gemeinsam mit der ÖVP Aufsichtsräte und Vorstände austauschen können. Qualifikationen? Egal. Es gibt keine Regeln dafür.

Herbert Kickl wird das Kanzleramt zu einer Außenstelle der FPÖ-Zentrale machen können. Ganz offen: Die ÖVP hat zuletzt, nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen mit der SPÖ, sogar einen Bundesparteivorstand im Kanzleramt abgehalten. Ist ja nicht so. Kanzleramts- bzw. Kabinettsmitarbeiter kommunizieren in sozialen Medien zudem bis heute für ihre Partei, also die ÖVP. Ist ja nicht so. Hier existiert nicht einmal ein Gespür dafür, was in einer bestimmten Funktion geht und was nicht.

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Herbert Kickl wird sich auch nicht über Pressekonferenzen und Interviews der Öffentlichkeit stellen müssen, unter Umständen also lästigen Fragen. Er muss nicht einmal Sebastian Kurz abkupfern, kann sich auch mit Karl Nehammer begnügen: Dieser hat sogenannte Hintergrundgespräche veranstaltet, zu denen nur Eingeladene, also von ihm Erwünschte, zugelassen waren, er hat zuletzt sogar seinen Rücktritt bloß über ein selbst gemachtes Video verkündet. Er musste sich also nicht erklären, warum es mit der SPÖ nicht ging, was er bei den ganzen Verhandlungen alles falsch gemacht hat und so weiter und so fort.

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