ANALYSE. Auch in der Asylpolitik verspielt Werner Faymann seine Glaubwürdigkeit und seine Autorität als Kanzler und SPÖ-Vorsitzender. Damit bleibt ihm nicht mehr viel.
Werte wie Gerechtigkeit und Chancengleichheit mag Werner Faymann in Wahlkampfzeiten vor sich hertragen, in der Regierungspolitik bleibt damit nicht viel über: Weder bei der Steuerreform (Stichwort „Vermögensbesteuerung“) noch bei der Bildungsreform (Stichwort „Gemeinsame Schule“) ist Wesentliches davon zu sehen. Das Ergebnis: ein Glaubwürdigkeitsproblem. Die verhältnismäßig hohe Arbeitslosigkeit setzt ihm zusätzlich zu; muss er als Sozialdemokrat doch längst eingestehen, sie mehr oder weniger hilflos zur Kenntnis nehmen zu müssen – alle Maßnahmen, die bisher gesetzt wurden, führen jedenfalls nicht zu einer Reduktion.
Bis in den Herbst hinein gab es da allerdings noch eine große Stärke des Bundeskanzlers: In Asylfragen ließ er keinen Zweifel daran aufkommen, dass Menschenrechte einzuhalten sind; und dass aufgenommen werden muss, wer Hilfe braucht. Anders als seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel (CDU) hat er dafür aber nie groß Überzeugungsarbeit geleistet – dort nämlich, wo es am notwendigsten (gewesen) wäre: „Draußen“ bei den Menschen. Wenn er sich an die Öffentlichkeit gewendet hat, dann vorzugsweise via TV-Liveschaltung vor dem ewiggleichen Hintergrund irgendwo im Kanzleramt.
In den Tagen nach der Wien-Wahl versuchte Faymann über seine Mitarbeiter noch mit einer Online-Kampagne (Titel: „Gegen Schwarz-Blau“) Stimmung für sich zu machen: Es gelte, den Schwung von dem Urnengang mitzunehmen; dort habe sich schließlich gezeigt, dass sich Haltung, Menschlichkeit und Glaubwürdigkeit auszahlten – besonders in der Asylpolitik.
„Es kommt weder ein Zaun zu Ungarn, noch kommt ein Zaun zu Slowenien“, ließ er Ende Oktober in einer ZiB 2 wissen. Dieser Tage wird auf Druck von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Spielfeld ein solcher Drahtverhau errichtet.
Zwei Monate später ist Faymann dabei, nicht nur seine Glaubwürdigkeit, sondern auch seine Autorität vollends zu verspielen:
- Auf Regierungsebene gilt sein Wort nichts mehr. „Es kommt weder ein Zaun zu Ungarn, noch kommt ein Zaun zu Slowenien“, ließ er Ende Oktober in einer ZiB 2 wissen. Dieser Tage wird auf Druck von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) in Spielfeld ein solcher Drahtverhau errichtet. Auch „Asyl auf Zeit“, ein anderes, vermeintliches Tabu ist Mikl-Leitner dabei, durchzusetzen.
- In der SPÖ selbst hat es Faymann verabsäumt, namhafte Genossen auf seinen Weg mitzunehmen. Nicht nur der burgenländische Landeshauptmann Hans NIessl fordert einen harten Kurs gegenüber Flüchtlingen – sozialdemokratische Bürgermeister bis hinunter in die Südsteiermark machen gegen Unterkünfte mobil. Helmut Leitenberger aus Leibnitz spricht gar von einem „Flüchtlingsghetto“.
Ob Faymann all das wieder einfangen kann, ist fraglich. Sehr wahrscheinlich ist es dafür schon zu spät. Womit ihm nicht mehr viel bleibt, womit er sich als Kanzler und SPÖ-Vorsitzender wieder aufrichten könnte.