Es geht auch anders

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ANALYSE. Deutschland zeigt, dass man Wahlen ohne Polarisierung, Selbstüberhebung oder Stimmungsmache auf Kosten anderer Menschen schlagen und sogar gewinnen kann.

Vor dem Sommer war in Deutschland eher noch Grünen ein Wahlsieg zugetraut worden als den Sozialdemokraten. Ganz vorne lagen die Unionsparteien. Das Ergebnis ist bekannt: Grob gesprochen haben zwar Rote und Grüne stark zugelegt, alles in allem haben die Sozialdemokraten jedoch fast zwei Mal mehr Stimmen erhalten als die Grünen.

Hinterher besteht natürlich die Gefahr, zu viel in den SPD-Wahlkampf hineinzuinterpretieren. Der Erfolg von Olaf Scholz ist nicht ohne seine Mitbewerber Armin Laschet und Annalena Baerbock erklärbar, die sich selbst beschädigt haben. Ungeachtet dessen ist aber schon bemerkenswert, dass Scholz so weit kommen konnte, ohne zu polarisieren, Menschengruppen gegeneinander auszuspielen und immer wieder zu betonen, dass er gegen die Aufnahme gefährdeter Menschen aus Afghanistan sei. Ja, es ist vielleicht sogar noch viel bemerkenswerter, dass die politische Kraft, die gerade infolge der Flüchtlingskrise 2015 groß geworden ist, bei dieser Bundestagswahl von Platz drei auf Platz fünf durchgereicht wurde; die Rede ist von der AfD, mit der Freiheitliche immer wieder gerne Kontakte pflegen.

Wie schon Noch-Kanzlerin Angela Merkel, aber auch sein Mitbewerber Armin Laschet ist Olaf Scholz das, was man als relativ sachliche, unspektakuläre Erscheinung bezeichnen kann. Es ist nicht zu erwarten, dass er im Falle einer Führungsübernahme beispielsweise anfängt, zu verkünden, dass Deutschland am besten durch die Pandemie komme und so weiter und so fort. Wie Merkel sind ihm solche Kategorien zumindest bisher fremd.

Ein zentrales Narrativ der sozialdemokratischen Kampagne war „Respekt“ (z.B. „Respekt vor Deiner Zukunft“). Und zwar vor allem auch für Menschen im sogenannten Osten, die sich zu einem sehr großen Teil als Verlierer betrachten. Es ist spannend, dass das aufgegangen sein dürfte. Gerade im Osten erzielte die SPD jedenfalls Wahlerfolge. Botschaft: Unzufriedenheit muss politisch nicht auf Kosten schwächerer Teile der Gesellschaft ausgeschlachtet werden. Es ist auch möglich, Selbstwertgefühle zu stärken.

Bemerkenswert ist freilich auch, dass es in diesem Bundestags-Wahlkampf nicht vor allem um Klimapolitik ging. Eine wichtige Rolle spielte beispielsweise Wohnen. Das bestätigt, dass sich die Themenlage gegenüber 2015 sowie der Bundestagswahl 2017 gewandelt hat, sich aber nicht gebührend der größten Herausforderung nach der Pandemie zuwendet, obwohl so viel damit in Verbindung steht: Emissionen, Steuern, soziale (Un-)Gerechtigkeiten. Innovationen, Technologien, Wettbewerbsfähigkeit etc.

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