Entblößt

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ANALYSE. Wie Kickl in die Regierungsverhandlungen gegangen ist, so geht er auch aus den gescheiterten heraus: Überzeugt, die große Nummer zu sein. Dabei übersieht er jedoch Wesentliches. 

FPÖ-Chef Herbert Kickl ist im Wahlkampfmodus geblieben. Gerade hat er nicht nur einen fast einstündigen Monolog zu den gescheiterten Regierungsverhandlungen gehalten, sondern auch ein neues Titelbild auf seiner Facebookseite (300.000 Follower) veröffentlicht: Rot-weiß-rote Fahne im Hintergrund, er selbst im Vordergrund und die Worte „Österreich immer treu“ neben sich. Zwischendurch hat er seine Mitteilung an Bundespräsident Alexander Van der Bellen veröffentlicht, in der er begründet, warum die Koalitionsverhandlungen aus seiner Sicht gescheitert sind: Vor inhaltlichen Punkten habe die ÖVP letzten Endes die Ressortverteilung klären wollen. Da sei man ihr zwar entgegengekommen, es habe ihr jedoch nicht gereicht.

„Posten“ sollen‘s also gewesen sein. Natürlich: Man darf nicht naiv sein. Die ÖVP ist eine Machtpartei, der ebensolche ganz und gar nicht egal sind. Die sich in der Vergangenheit bei der Betonung unglaubwürdig gemacht hat, dass es ihr ausschließlich um Themen und vor allem das Land gehe.

Zur Erinnerung: Im Mai 2019 kündigte Sebastian Kurz (ÖVP) die Zusammenarbeit mit der FPÖ auf, nachdem das Ibiza-Video veröffentlicht worden war. Was Heinz-Christian Strache (FPÖ) darin erklärt habe, sei zu viel gewesen, so Kurz, der damit auf größtes Verständnis stieß: Strache hat im Sommer 2017 gegenüber einer vermeintlichen Oligarchin Bereitschaft signalisiert, sich kaufen zu lassen, sobald er einmal zu einer Regierungsbeteiligung kommt (was er dann auch wenig später ist). Klar, dass es schon zu viel war, derlei auch nur auszusprechen.

Vor einiger Zeit bedauerte Kurz jedoch, die Zusammenarbeit aufgekündigt zu haben. Damit gestand er, der Öffentlichkeit seinerzeit nur etwas vorgemacht zu haben; dass er in Wirklichkeit gar nicht empört gewesen war, sondern ausschließlich auf den eigenen Wahlerfolg 2019 hingearbeitet hatte.

Derlei bleibt an der ÖVP hängen. Wobei: Einerseits kann man sich zwar fragen, was sie inhaltlich alles hingenommen hätte, wenn ihr Kickl das Innen- und vielleicht auch das Finanzministerium zugestanden hätte, andererseits muss man jedoch feststellen, dass sie in Fragen zu Europa- oder auch Medienpolitik nicht zusammengefunden hat mit ihm. Das ist im Verhandlungsprotokoll dokumentiert.

Und das wiederum macht es Kickl weniger einfach, so zu tun, als wäre Blau-Schwarz so gar nicht an ihm gescheitert. Zumal er von allem Anfang an unverschämt hoch gepokert hat; so hoch, dass man zweifeln musste, ob er an der Koalition überhaupt interessiert ist: Als er die Einladung zu Verhandlungen an die ÖVP aussprach, tat er dies in der Art eines Gutsherren, der einen Stallburschen spüren lässt, wie wenig er von ihm hält. „Friss und stirb“, lautete der Titel eines Blogs dazu auf dieser Seite: Es ging um eine Demütigung der ÖVP. Sie sollte eingestehen, ein Zwerg zu sein und in der Vergangenheit ausschließlich Mist gebaut zu haben. So konnte er keine Partnerin finden wollen.

Im Nachhinein muss man doppelt froh sein darüber, dass irgendjemand, aus welchen Gründen auch immer, dafür gesorgt hat, dass das Verhandlungsprotokoll öffentlich wird. Es widerlegt nunmehrige Beteuerungen von Kickl, dass ein Bekenntnis zur EU oder zur Medienfreiheit eine Selbstverständlichkeit sei für ihn. Dass er sich diesbezüglich nichts vorzuwerfen habe.

Dem Protokoll ist zu entnehmen, dass Kickl in der EU eine ausschließlich destruktive Rolle für Österreich vorgesehen hätte. Eine, die Richtung Austritt gegangen wäre. Ein Mitglied, das in der EU „Souveränität statt Zentralismus“ ruft, widerspricht dem Geist der europäischen Integration. Und wenn es dann auch noch die Sanktionen gegen Russland aufheben und die Ukraine ihrem Schicksal bzw. Wladimir Putin überlassen möchte, dann ist es überhaupt an der Zerstörung der Union interessiert.

Dem Protokoll ist auch zu entnehmen, dass Kickl mündige Bürger ablehnt: Er hält nichts von Medienkompetenz und auch nichts von Journalismus, der vermittelt, was ist. Er fördert lieber Propagandaschleudern, die die Leute mit Fake News abspeisen, sie also möglichst dumm halten.

Bemerkenswert auch, wie durch das Protokoll offenbart wird, dass die Hoffnungen von einigen Wirtschaftstreibenden in Kickl unbegründet waren: Abgesehen davon, dass ihnen eine Festung Österreich gegen den Strich gehen muss, gibt es da auch keine großen Reformen, die eine nachhaltige Steuersenkung ermöglicht hätten. Bei den Pensionen? Null. Im Gesundheitswesen? Null. Allenfalls Symbolisches wie die Umsetzung eines Stopps der Zuwanderung ins Sozialsystem oder Sparen bei den Schwächsten wäre gekommen.

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