Einfach Papp’n halten

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ANALYSE. In der ÖVP glaubt man, den Fall Wöginger aussitzen zu können. Geht das durch, gibt es ein größeres Problem.

In der ÖVP habe man sich ein Schweigegelübde zur nicht rechtskräftigen Diversion auferlegt, mit der Klubobmann August Wöginger – wie die beiden Mitangeklagten – im Postenschacherprozess davongekommen ist. Das berichtet die „Kleine Zeitung“: „Wir sollen die Papp’n halten“, das sei die Vorgabe von oben, heiße es aus der Partei.

Eine alte Strategie: Einfach nichts (mehr) sagen. Im Sinne der Feststellung von Bundesparteichef, Kanzler Christian Stocker, dass die Sache erledigt sei. Kalkül: Irgendwann werden Medien bzw. Journalisten und Leserbriefschreiber müde. Eher früher als später passiert in der schnelllebigen Zeit etwas anderes, womit sie sich dann im Übrigen viel eher beschäftigen werden.

Es könnte aufgehen: Sozialdemokraten und Neos bleiben ebenso ruhig wie Grüne und Freiheitliche zurückhaltend. Bei ersteren geht es um Loyalität gegenüber dem Koalitionspartner. Zumal Wöginger laut „Oberösterreichischen Nachrichten“ auch aus ihrer Sicht als systemrelevant gilt: als „lebenswichtig“ für die Zusammenarbeit. Eigentlich ein Armutszeugnis, wenn die ÖVP keinen Besseren hat; wenn er sich auch aus Sicht ihrer Partner daher schier alles leisten darf.

Was die Grünen antreibt, ist schwer zu sagen. Bei den Freiheitlichen denkt sich Herbert Kickl vielleicht, dass er keinen Kommentar mehr abgeben muss: Es spricht eh alles für sich. Es ist eine Bestätigung für das, was er immer behauptet: „Die da oben richten es sich.“

Justizministerin Anna Sporrer (SPÖ) hat nicht die Absicht, gegen die Diversion vorzugehen. Sie überlässt die Entscheidung der Staatsanwaltschaft. Das kann man zumindest nachvollziehen: Sie ist in gewisser Weise befangen. Politisch. Genau wegen solcher Fälle müsse eine Bundesstaatanwaltschaft her, schreibt der „Standard“.

Das alles kann jedoch darüber nicht hinwegtäuschen: Der Fall Wöginger ist auch eine Weichenstellung für die ÖVP. Gibt sie sich, gibt sie Stocker ganz auf oder hat er noch Ambitionen mit ihr, die über den bloßen Machterhalt hinausreichen?

Eine Selbstaufgabe ist es, wenn man das Offensichtliche nicht eingestehen will und auch keinerlei Bereitschaft zeigt, Konsequenzen zu ziehen. Wenn man so tut, als wäre Postenschacher zum Vorteil eigener Leute und auf Kosten anderer ganz normal. Wenn das Unrecht vom eigenen Ethikrat zurechtgeredet wird. Und wenn man nicht einmal eine Arbeitsgruppe einrichtet, deren Aufgabe es ist, Rahmenbedingungen für möglichst objektive Personalentscheidungen und eine Eliminierung von politischen Einflussmöglichkeiten zu schaffen. Wenn man es also nicht einmal zusammenbringt, zwar Wöginger zu halten, aber zu signalisieren, dass man verstehe, dass Praktiken aus dem vergangenen Jahrhundert beendet gehören. Dass man selbst glaubwürdig in die Gegenwart kommen müsse.

Sehr wahrscheinlich aber entspricht dieses Aussitzen und Papp’n halten genau dem Zugang von Christian Stocker: Es verfestigt sich der Eindruck, dass er nichts will. Dass er einfach nur dasitzen und besonnen wirken möchte. Was nicht wenigen Menschen nach dem ganzen Kurz- und Nehammer-Zirkus und vor allem einem drohenden Kanzler Kickl sogar als Wohltat erscheint – sich in Wirklichkeit aber mehr und mehr als verhängnisvoll erweist: Versagt die ÖVP, ist die FPÖ da.

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