ANALYSE. Zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre hätte die SPÖ Zeichen setzen können bei einer Reform der Parteienfinanzierung. Sie hat es wieder nicht getan. Nach der FPÖ darf sich diesmal die ÖVP bedanken.
Die ÖVP wird ihr Glück kaum fassen können. Ausgerechnet sie, die die Wahlkampfkosten-Obergrenze 2017 weit überschritten hat, von der erst jetzt ein Rechenschaftsbericht für das Jahr 2019 veröffentlicht worden ist und die aufgrund von Zweifeln des Rechnungshofes demnächst Besuch von einem Wirtschaftsprüfer bekommen soll, steht in Bezug auf die Parteienfinanzierung gemeinsam mit den Grünen als reformfreudige Kraft da. Oder zumindest nicht als diejenige, die blockiert.
Das haftet der Sozialdemokratie an: Niemand redet noch darüber, ob es da und dort Verschärfungen geben sollte, im Zentrum steht die Forderung der größten Oppositionspartei, Rechnungshofpräsidentin Margit Kraker abzuberufen, um sie mit Zweidrittelmehrheit wieder zu wählen. Da sei kein Misstrauen gegen sie, betont SPÖ-Klubobmann Jörg Leichtfried. Die Überlegung, ihr so eine größere Legitimation zu verleihen, sollen ihre Leute in Zukunft unter Umständen doch in die Parteibücher schauen dürfen, ist jedoch schwer vermittelbar. Wenige Meter vor dem Ziel erstmals vorgetragen, wirkt das eher, als würden Leichtfried und Freunde etwas suchen, was das ganze Vorhaben zu Fall bringen könnte. Das mag ungerecht sein, ist aber so. Also sind sie wieder zurückgerudert und geben sich gesprächsbereit.
Was bleibt, ist Verwunderung: Parteienfinanzierung und Transparenz sind keine Themen, mit denen man eine Wahl gewinnt. Nach allem, was in jüngster Zeit in Österreich vorgefallen ist in der FPÖ (Ibiza-Affäre) und in der ÖVP (türkise Affären in Wien, eine „schwarze“ in Vorarlberg) wäre es jedoch aufgelegt für die größte Oppositionspartei, auf substanzielle Veränderungen im System zu drängen – und sich zum Beispiel nicht zufrieden zu geben, was ÖVP und Grüne vorgelebt haben, sondern einen Straftatbestand illegale Parteienfinanzierung zu verlangen.
Aber nein. Die SPÖ bleibt defensiv. Bezeichnend ist, dass der Wiener Rathausklub und die niederösterreichische Landesorganisation in Stellungnahmen zum jüngsten Entwurf vor allem etwas zu Weitreichendes sehen. Dass zu nahestehenden Parteiorganisationen nämlich all jene gezählt werden sollen, die in ihren Statuten eine Zusammenarbeit oder Unterstützung der Partei verankert haben; sie sollen in ihren Rechenschaftsbericht (Geldflüsse!) einbezogen werden. Der Vorbehalt mag nun Juristen überzeugen: „Die hier vorliegende rechtliche Verantwortung einer Partei ohne Einflussmöglichkeit z.B. auf Statuten von Vereinen ist für sie jedenfalls unzumutbar.“ Salopp formuliert: Wir können uns unsere Unterstützer nicht aussuchen, wir können auch gar nicht verhindern, dass jemand hinter uns stehen möchte. Das hat was.
Aber: Gerade Konstruktionen bis hin zu den Vereinen des ÖVP-Seniorenbundes, die personell (auf Vorstandsebene) identisch sind mit der gleichnamigen ÖVP-Teilorganisation, schreien nach einer Bekämpfung von Umgehungsmöglichkeiten. Da sollte man sich vor allem auch überlegen, wie man dagegen vorgehen könnte.
Es ist nicht das erste Mal, dass die SPÖ so zurückhaltend agiert bei einer einschlägigen Reform: 2019 hat sie sich infolge der Ibiza-Affäre „ausgerechnet mit der FPÖ zusammengetan“, um „keine Antwort auf Ibiza“ durchzusetzen. Zitate: Süddeutsche Zeitung (SZ). Gekommen ist damals eine Spendenobergrenze bzw. eher nur eine „Lex ÖVP“ (SZ/Hubert Sickinger): Sebastian Kurz wurde das Geldsammeln erschwert, von Heinz-Christian Strache in dem Video skizzierte Umgehungen wurden vernachlässigt.
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