Blaue Widersprüche

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ANALYSE. Was Herbert Kickl auf Bundesebene sagt und eine Leute in den Ländern tun. Beispiel Steiermark, ein Jahr nachdem die FPÖ bei der dortigen Landtagswahl abgeräumt hat.

FPÖ-Chef Herbert Kickl dürfte nicht wirklich außer sich gewesen sein, er hat sich aber so gegeben, nachdem sich Regierung und Gewerkschaft Anfang Oktober auf einen neuen Gehaltsabschluss für Beamte und Vertragsbedienstete des Bundes verständigt hatten: Ein „finanzieller Faustschlag ins Gesicht der Polizisten, Soldaten und Lehrer“ sei das, wetterte er, ein „skandalöser Verrat an den Leistungsträgern im öffentlichen Dienst“.

Vergangene Woche blieb Kickl auffallend ruhig. Dabei hatte das Land Steiermark diesen Abschluss für seine 8000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die rund 20.0000 weiteren Leute, die für die Krankenhausgesellschaft tätig sind, übernommen. Mit Juli des kommenden Jahres wird es demnach 3,3 Prozent plus sowie mit August 2027 und September 2028 sozial gestaffelte Fixbeträge geben. Landeshauptmann Mario Kunasek sprach von einem „Gespür für das richtige Maß“.

Mario Kunasek ist ein Parteikollege von Herbert Kickl. Vielleicht hat Kunasek diesen einfach ignoriert und sich dieser dann geniert, darauf zu reagieren. Man weiß es nicht. Fakt ist, dass es für Kickl keine ganz neue Erfahrung ist: Schon seit Jahren fordert er beispielsweise immer wieder Nulllohnrunden für Politiker. Seine führende Parteikollegin in Salzburg, Landeshauptfrau-Stellvertreterin Marlene Svazek (FPÖ), trug trotzdem immer wieder Erhöhungen mit. Auf die Frage, ob es ihr egal sei, sich erneut gegen den Kurs von Kickl zu stellen, hat sie gegenüber den „Salzburger Nachrichten“ einmal lapidar gesagt: „Alle Jahre wieder, ja.“

In der Steiermark könnte Mario Kunasek nicht einmal mit der sonst üblichen Formel daherkommen, dass die FPÖ nur Juniorpartnerin in einer ÖVP-geführten Regierung sei und daher leider nichts ändern könne: Er ist hier der Chef, die FPÖ ist seit der Landtagswahl vor einem Jahr klar stärkste Partei.

Und? Ergebnisse? Vor allem Symbolisches, was die Tragweite der einzelnen Maßnahmen nicht mindert. Im Gegenteil, es wurden Akzente für ein freiheitliches Gesellschaftsbild gesetzt. Unter dem Motto „Statt ideologischem Wirrwarr – klare Sprache für alle!“ wurde dafür gesorgt, dass in Landesgesetzen nicht mehr gegendert wird. Im Landesdienst wurde ein Kopftuchverbot eingeführt. Nicht dass ein Fall bekannt gewesen wäre, dass im Landesdienst eine Frau ein Kopftuch getragen hätte, aber es war ein Statement, das Schlagzeilen brachte. Abgesehen davon wurde der „Luft-Hunderter“ auf der Autobahn aufgehoben und die Landeshymne gesetzlich verankert, obwohl es darin auch um einen Teil des heutigen Sloweniens geht, was dort denn auch für massive Irritationen sorgte.

Und sonst? In der Steiermark läuft in budgetärer Hinsicht ungefähr das, was für Kickl auf Bundesebene eine „Totalkapitulation“ und eine „Schuldenspirale“ ist: Die Landesregierung Kunasek gibt zu, Einsparungsziele nicht zu erreichen. Das Land wird sich im kommenden Jahr um 800 Millionen Euro neu zu verschulden. Nimmt man die Gemeinden dazu, für die noch keine Angaben vorliegen, bei denen es sich im vergangenen Jahr allein aber um 400 Millionen Euro gehandelt hat, kommt man ungefähr zu einem Pro-Kopf-Wert, der zwar nicht dem des Bundes, aber dem von Land und Gemeinde Wien entspricht.

Interessant ist auch, was sich in Bezug auf den von Kickl gerne behaupteten „Volkswillen“ tut. Einen solchen kann es bei den Vielen naturgemäß nie geben. Wo Freiheitliche mitregieren, also in Vorarlberg, Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich und führend eben in der Steiermark, gibt es aber nicht einmal Ansätze einer deliberativen Demokratie, bei der Entscheidungen auf Basis ernsthafter Auseinandersetzungen mit den Bürgerinnern und Bürgern getroffen werden. Kunasek diktiert mit seiner Juniorpartnerin ÖVP stattdessen beispielsweise eine Spitalsreform, bei der nicht nur Anregungen des Rechnungshofes (Errichtung eines Leitspitals) ignoriert werden, sondern er sich auch dem Vorwurf aussetzt, Wahlversprechen zu brechen (im Zusammenhang mit dem Krankenhaus in Bad Aussee).

Nicht, dass das eine Überraschung wäre: Es bestätigt jedoch die Vermutung, dass direkte Demokratie für Kickl und seinesgleichen ausschließlich etwas wäre, um in ihrem Sinne zu mobilisieren und einen von ihnen behaupteten „Volkswillen“ bestätigt zu bekommen.

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