Blau treibt, türkis lässt sich treiben

ANALYSE. Die freiheitlichen Angriffe auf die Caritas und der Umgang der Kurz-ÖVP damit sagen sehr viel aus über die politischen Verhältnisse. 

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ANALYSE. Die freiheitlichen Angriffe auf die Caritas und der Umgang der Kurz-ÖVP damit sagen sehr viel aus über die politischen Verhältnisse.

Mehr hat Caritas-Präsident Michael Landau nicht gebraucht: Seine Kritik, dass es in der Regierung ein „Empathie-Defizit“ und in der Republik einen „sozialen Klimawandel“ gebe, trug ihm und mehr noch seiner Organisation ziemlich heftige FPÖ-Anschüttungen ein. Sie sei Teil einer Asylindustrie, betreibe Profitgier und so weiter und so fort. Reaktion der ÖVP: Beide Seiten mögen sich mäßigen, so die Staatssekretärin im Innenministerium, Karoline Edtstadler (ÖVP). Soll heißen: Die Freiheitlichen haben wieder einmal überzogen, doch Landau hatte ja auch provoziert. Darf er sich nicht wundern. Die Lehre für die Zukunft: Es empfiehlt sich, am besten gar keine Kritik zu üben. So jedenfalls die Logik des Edtstadler’schen Appels.

Das ist absurd, in der ganzen Geschichte kommt aber sehr viel über die politischen Verhältnisse zum Ausdruck, was man sich näher anschauen muss: Freiheitliches Erfolgsgeheimnis ist es, wie zu Oppositionszeiten extrem angriffig zu sein. Gegen die Regierung kann sie sich dabei naturgemäß nicht mehr richten. Damit würde sie sich selbst treffen. Sie braucht mehr denn je einen Dritten. Das sind einmal Flüchtlinge und ein anderes Mal Organisationen wie die Caritas, die nicht gegen, sondern für Flüchtlinge arbeiten.

Die ÖVP ist bei alledem die Getriebene. Wobei „ÖVP“ relativ ist: Auf Bundesebene hat die alte Österreichische Volkspartei 2017 gegenüber der FPÖ kapituliert und sich de facto aufgelöst – beziehungsweise ganz Sebastian Kurz überragen, der sie denn auch türkis umfärbte und allein auf seine Person ausrichtete.

Kurz kann allenfalls besser übernehmen, darf sich aber nicht dagegen stellen.

Sebastian Kurz ist eine Reaktion auf die FPÖ. Ohne diese würde er heute möglicherweise noch immer, wie im November 2014, Willkommenskultur einfordern. Im Zuge der Flüchtlingskrise 2015 hat er jedoch festgestellt, wie wirkungsvoll die Freiheitlichen dagegen mobilisieren. Also ist er dazu übergegangen, dies über die Schließung der Mittelmeerroute sowie der „Zuwanderung ins Sozialsystem“ ebenfalls zu tun. Mit Erfolg.

Sein Langfristproblem ist jedoch geblieben: In diesem Spiel ist er der Zweite. Treibende Kraft sind noch immer die Freiheitlichen. Er kann das allenfalls besser übernehmen, darf sich aber unter keinen Umständen dagegen stellen. Siehe Edtstadlers Reaktion, die quasi in seiner Vertretung erfolgt ist.

Kritik daran mag es geben. Unter anderem von Leuten wie Ex-Raiffeisen-Boss Christian Konrad. Kurz geht jedoch ganz offensichtlich davon aus, dass das nur eine Minderheit ist. Womit er recht haben könnte. Viel wichtiger ist für ihn, die verbleibende Mehrheit nicht den Freiheitlichen zu überlassen. Was allerdings auch bedeutet, dass er immer neue Grenzüberschreitungen mittragen muss. Genau davon leben die Freiheitlichen nämlich schon seit Jahrzehnten – und Kurz hat sich eben darauf eingelassen.

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