Blau-Schwarz nimmt Gestalt an

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ANALYSE. Budget: FPÖ und ÖVP beginnen bereits zu regieren. Groß unbeliebt werden sie sich dabei kaum machen.

Es geht alles so schnell. Nicht einmal eine Woche zuvor hatte FPÖ-Chef Herbert Kickl, den Regierungsbildungsauftrag des Bundespräsidenten in der Tasche, eine „Einladung“ an die ÖVP ausgesprochen, Verhandlungen aufzunehmen. Wobei sie erst einmal eingestehen müsse, nur Zweite zu sein und im Übrigen eine katastrophale Budgetlage zu verantworten zu haben. Wenig später antwortete ÖVP-Obmann Christian Stocker durchaus selbstbewusst, dass ein Bekenntnis zu Europa und Medienfreiheit etwa entscheidende Voraussetzungen seien. Ernst genommen haben das beide nicht. Kickl schrieb in einem „persönlichen Wort zum Sonntag“, dass das eh alles selbstverständlich sei, Stocker ließ irgendwann wissen, dass für seien Partei nur ein EU-Austritt nicht in Frage komme.

Jetzt haben sie das erste Verhandlungsergebnis präsentiert; es ist zugleich auch schon das wichtigste, sodass man sagen kann, dass Blau-Schwarz de facto fix ist. Ja, man sollte sich nicht wundern, wenn kommende Woche zum Beispiel überhaupt alles geklärt sein wird. Übergangskanzler Alexander Schallenberg, ÖVP, ist bereits nach Brüssel gereist: Österreich bleibe ein verlässlicher Partner in Europa, teilte er dort mit, wohl auch in der Annahme, dass Kickl sein Nachfolger wird.

Allenfalls Machtfragen könnten bei den Koalitionsverhandlungen noch kritisch werden. Daran scheitern werden sie aber nicht mehr. Der ÖVP ist das Landwirtschaftsministerium sehr wichtig. Das Finanzministerium hätte sie gerne. Österreich wäre jedoch mehr gedient, wenn sie nach alledem, was sie hier geliefert hat, darauf verzichten und stattdessen Innen- und Verteidigungsministerium mit all den Diensten nicht der russlandfreundlichen FPÖ überlassen würde.

Das mit dem Finanzministerium ist so eine Sache: Ohne rot zu werden erklären Stocker und ÖVP-Klubobmann August Wöginger, mit der FPÖ komme man in Budgetfragen so schnell weiter, weil die Grundlagen geklärt seien. Zur Erinnerung: Er ist das ÖVP-geführte Ressort, das in den vergangenen Monaten zunächst die Verhältnisse schöngeredet hat und dann die Wahrheit lange schuldig geblieben ist.

Wie auch immer: Jetzt sind Kickl und Stocker quasi schon im Amt. In einem Brief an Finanzminister Gunter Mayr bitten sie diesen als Parteiobleute unter Verweis auf Regierungsbildung und laufende Verhandlungen auch schon, bei der EU mitzuteilen, dass man ein Defizitverfahren vermeiden und heuer 6,4 Milliarden Euro einsparen möchte.

Es ist für österreichische Verhältnisse eine Kleinigkeit, gehört fürs Protokoll jedoch vermerkt: Seit wann nimmt ein Regierungsmitglied Aufträge von Parteivorsitzenden an? Wenn, agiert er eigenverantwortlich oder etwa auf Ersuchen des Parlaments. Oder im Sinne der Regierung, der er angehört. Aber nicht auf dieser Basis. Es ist ein so klassischer Fall von sogenannter Realverfassung, der erahnen lässt, dass einer, der daherkommt und sagt, er sei „Volkskanzler“, mir nichts, dir nichts ein solcher wird, weil er gefügige Akteure vorfindet.

Zurück zum Budget: Kickl und Stocker haben mit ihren Verhandlungsteams erst allgemein fixiert, wie die 6,4 Milliarden Euro zusammenkommen sollen. 1,1 Milliarden Euro zum Beispiel durch einen „Stabilitätsbeitrag der Bundesministerien“. Das steht für Ausgabenkürzungen. Außerdem sollen etwa bei Förderungen 3,18 Milliarden Euro eingespart werden. Neue Steuern soll es keine geben

Es gibt Leute, die haben gemeint, das werden die beiden Parteien nie zusammenbringen. Kickl werde durch notwendige, aber unpopuläre Maßnahmen entzaubert werden. Eher werde er es auf ein Defizitverfahren ankommen lassen, um sich an Brüssel reiben zu können. Nichts davon ist der Fall bzw. wahrscheinlich.

Man kann sehr viel sparen, ohne Wähler zu treffen, die Kickl wichtig sind; vor allem, wenn man wie er der Überzeugung ist, dass man beim Klimaschutz nachlassen kann: Die Bildungskarenz, deren Streichung laut Fiskalrat heuer 300 und im kommenden Jahr 400 Millionen Euro bringen würde, wird eher nicht von freiheitlicher Klientel in Anspruch genommen. Der Klimabonus (2,3 Milliarden Euro) ist für eine Masse eine staatliche Leistung für nichts; Sinn und Zweck sind nie klar geworden. Das Klimaticket (0,6 Milliarde Euro) wird ebenfalls in geringerem Maße von freiheitlicher Klientel genützt. Und die zusätzlichen Klimaförderungen, die unter Schwarz-Grün eingeführt worden sind (rund zweieinhalb Milliarden Euro), gehen zum größten Teil an Hausbesitzer, also die obere Mittelschicht. Das würde in Summe schon fast sechs Milliarden Euro bringen. Auch klassische SPÖ-Klientel würde das alles im Übrigen kaum tangieren. Darauf könnte sich Andreas Babler gefasst machen. Es wird ihm die Oppositionsarbeit nicht einfacher machen.

Darüber hinaus sind selbstverständlich Maßnahmen nicht zu vergessen, die für Kickl aufgrund der politischen Signalwirkung sein müssen und mit denen die ÖVP kaum Schwierigkeiten haben wird. Gemeint sind etwa Streichungen für Zuwanderer, die diese hart treffen könnten. Nennenswerte Beiträge zur Budgetsanierung sind damit nicht zu erzielen.

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