ANALYSE. Die FPÖ ist auf dem Weg zu einem bestimmenden Faktor im Land, die ÖVP zumindest in der Steiermark zur Steigbügelhalterin. Ein Gegenmodell zu dieser Konstellation wird sich auf Bundesebene schwer halten können auf Dauer.
Bei der steirischen Landtagswahl ist die FPÖ Ende November klar Erste geworden, jetzt hat sich die Partei unter Führung des (wohl) künftigen Landeshauptmannes Mario Kunasek entschlossen, mit der ÖVP und nicht mit der SPÖ über eine Zusammenarbeit zu verhandeln. Spannend ist, wie unterschiedlich das aufgenommen wird: Die „Krone“, also die Lobby für einen Kanzler Herbert Kickl (FPÖ), behauptet, dass das in Graz immer klar gewesen sei. Im „Standard“ berichtet der Mitarbeiter aus Graz hingegen, dass „eigentlich kaum noch jemand damit gerechnet“ habe. Blau-Rot galt demnach als wahrscheinlich.
Das hat auch Auswirkungen auf die Bundespolitik. Zunächst zumindest atmosphärische: Der steirische SPÖ-Regierungsverhandler Jörg Leichtfried ist schockiert und äußert „tiefe Besorgnis“ über das, was da in seinem Heimatland passiert: „Das sind wirklich düstere Aussichten.“
Klar: Für die SPÖ brechen harte Zeiten an in der Steiermark, sie verliert ihre Regierungsbeteiligung. Umgekehrt hätte eine Zusammenarbeit mit der FPÖ die Bundespartei unter Druck gesetzt, ihr Verhältnis zu den Freiheitlichen grundsätzlich zu überdenken.
Vor allem aber läuft dieser schnelle Prozess hin zu Mitte-Rechts-Koalitionen in Österreich weiter: Vor zwei Jahren regierten ÖVP und FPÖ einzig in Oberösterreich zusammen. Mit der Steiermark werden sie dies – nach Niederösterreich, Salzburg und Vorarlberg – in wenigen Wochen schon in fünf Bundesländern tun.
Im Jänner folgt die Landtagswahl im Burgenland. Dort muss die SPÖ unter Führung von Hans Peter Doskozil mit einem Verlust der Absoluten rechnen. Damit kommt die FPÖ ins Spiel. Entweder als Juniorpartnerin der SPÖ oder als Bündnispartnerin der ÖVP. Wenn sich letzteres ausgeht und zustande kommt, ist die SPÖ auch hier in Opposition.
Bis 2028 folgen im Übrigen Landtagswahlen in Tirol und in Kärnten. Dort ist die FPÖ noch in Opposition. Zumindest bei der Nationalratswahl hat sie in Kärnten jedoch abgeräumt und fast 40 Prozent (!) erreicht. In Tirol blieb sie nur knapp hinter der ÖVP. Ähnlich wie in Vorarlberg, wo sie bei der Landtagswahl Mitte Oktober stark zulegte und schließlich Koalitionspartnerin der Volkspartei wurde.
2028 steht im Übrigen eine Bundespräsidenten-Wahl an. Aber das ist jetzt ein anderes Kapitel. Nur so viel: Vor acht Jahren hat sich FPÖ-Mann Norbert Hofer beinahe durchgesetzt. Wäre er heute im Amt, Herbert Kickl hätte den Regierungsbildungsauftrag längst erhalten.
Es wäre naiv, zu glauben, dass die Freiheitlichen schon bald in bis zu acht Bundesländern (mit-)bestimmend sein werden, auf Bundesebene aber eine türkis-rot-pinke Koalition agieren kann als wär‘ nichts. Selbstverständlich engt das ihre Spielräume ein, sofern sie gebildet wird.
Erstens: Es wird zum Beispiel zu konkurrierenden Gesellschafts- und Integrationspolitiken kommen. Der Umgang mit Kinderbetreuung in den Ländern wird sich unterscheiden von roten und pinken Vorstellungen auf Bundesebene. Das wird zwar etwa auch bei der Europapolitik der Fall sein, hier aber haben Länder unmittelbare Einflussmöglichkeiten; Kinderbetreuung ist ihre Sache. Ähnliches gilt für praktische Integrationspolitik. Siehe Programm der niederösterreichischen Landesregierung. Dort haben sich ÖVP und FPÖ vorgenommen, das Land „für überwiegend wirtschaftlich motivierte Zuwanderer möglichst unattraktiv zu machen“, inkl. Bezahlkarte für Asylwerber, die bereits eingeführt ist und mit der schikanöse Bestimmungen verbunden sind (so sind Käufe in Apotheken oder auch Sozialmärken verboten).
Zweitens: Bei aller Dankbarkeit der ÖVP-Landesobleute dafür, dass sich Karl Nehammer den Job des Bundesparteiobmannes nach Sebastian Kurz angetan hat, ist es noch immer so, dass er alles in allem ihren Vorstellungen zu entsprechen hat. Das tut er. Lediglich mit zeitlicher Verzögerung hat er bisher immer wieder Ansätze von Johanna Mikl-Leitner aus St. Pölten übernommen. Als er sich auf eine Normalitätsdebatte einließ genauso wie bei seinem Engagement für Autofahrer und gegen Grüne. Das hat zum Bruch zwischen ÖVP und Grünen auf Bundesebene beigetragen: Selbst wenn es nach der Nationalratswahl noch eine Mehrheit dafür gegeben hätte, wäre Türkis-Grün kaum noch zustande gekommen.
Drittens: Bei so vielen türkis-blauen bzw. einer blau-türkisen Koalition in den Ländern wird der Bundesrat als Länderkammer des Parlaments eine potenzielle Kampfansage an eine allfällige türkis-rot-pinke Koalition auf Bundesebene. ÖVP und FPÖ haben hier zusammen eine Mehrheit. Damit können sie lästig werden, wenn sie mögen.