ANALYSE. Die niederösterreichische Landeshauptfrau hat mit ihrer Kritik an den Regierungsverhandlungen auch ihren Bundesparteivorsitzenden Karl Nehammer angegriffen und Türkis-Rot-Pink schon abgeschrieben. Das verheißt nichts Gutes.
Es ist nicht so, dass die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vollkommen daneben gelegen wäre: Acht Wochen nach der Nationalratswahl kann man sich wirklich fragen, ob Karl Nehammer (ÖVP) und all die übrigen Regierungsverhandler den Ernst das Lage erkannt haben. Sie liefern so gar nichts, haben nicht einmal eine Bezeichnung für ein türkis-rot-pinkes Bündnis und machen es damit möglich, dass sich Begriffe wie „Zuckerl-Koalition“ durchsetzen. Nehammer selbst spricht bereits von einem Ende, obwahl noch gar nichts richtig angefangen hat. Es gibt nicht einmal etwas, worüber öffentlich nachvollziehbar gestritten werden könnte.
Umso bezeichnender ist, wie Mikl-Leitner jetzt auch noch öffentlich Kritik geübt hat: „Wenn wir nicht deutliche, wirksame Maßnahmen zur Wiederbelebung der Wirtschaft und strenge Strafen für Integrationsverweigerer setzen, dann braucht diese Regierung gar nicht erst anzufangen zu arbeiten. Dann fährt sie unser Land an die Wand.“
Sie hätte auch sagen können, dass es acht Wochen nach der Wahl an der Zeit sei, wirksame Maßnahmen zur Wiederbelegung der Wirtschaft und strengere Strafen für Integrationsverweigerer vorzulegen, damit klar werde, wie diese Regierung wird. Nein, sie formulierte es anders. Und zwar so, dass man glauben muss, dass sie diese „Zuckerl-Koalition“ längst abgeschrieben hat.
Es ist verrückt. Aber Ausdruck einer unendlichen Schwäche der ÖVP im Allgemeinen und der niederösterreichischen Landeshauptfrau im Besonderen. Sie befeuert hier etwas, obwohl sie an keinem Feuer interessiert sein kann. Wer soll für Nehammer einspringen, wenn er bei einem Scheitern der Verhandlungen gehen muss? Wer soll den Vize unter einem Kanzler Herbert Kickl (FPÖ) machen? Wie will die Volkspartei verhindern, da dann vollkommen unterzugehen?
Mikl-Leitner hat keine Idee. In der ÖVP gehört sie zu denen, die 2017 einfach nur froh waren, dass Sebastian Kurz eine bereits damals leckgeschlagene Partei übernommen hat. Wie und was er gemacht hat, war egal. Hauptsache Wahlerfolge stellten sich ein. Mikl-Leitner büßte dafür, nach dem Kurz-Abgang stürzte auch ihre Landesparteiorganisation ab.
Bisher „deutliche, wirksame“ Konsequenzen? Null. Mikl-Leitner gab den „Miteinander“-Kurs ohne Inhalt auf, um zu einem „Gegeneinander“-Kurs ohne Inhalt überzugehen bzw. von normal denkenden Menschen zu reden, ohne das genauer erklären zu können, aber mit dem Nebeneffekt, dass alle, die anders sind, als ihr das gefühlsmäßig so entspricht, zu nicht normal denkenden Menschen erklärt werden.
Ist das die Volkspartei der Zukunft? Natürlich nicht. Ihr Problem ist, dass sie für sich keine Erzählung für die Gegenwart, geschweige denn die Zukunft hat. Allenfalls Begriffe wie „Leistung“ werden da eingefügt.
Ein Ergebnis davon ist, dass sich die ÖVP auch nicht überzeugend von Kickl abgrenzen kann. Dass man davon ausgehen muss, dass es ihr eher nur um den Kanzler geht. Dass Dinge wie „Sicherheitsrisiko“ wegen seiner Putin-Nähe lediglich vorgeschoben sind.
Mag schon sein, dass Karl Nehammer da für sich klarer ist. Bringt er das aber auch rüber? Für eine Masse: Nein. Nach innen, also etwa gegenüber Mikl-Leitner: Nein. Und damit ist alles weitere absehbar: Nehammer kann nur, wenn Mikl-Leitner ihn lässt. Hat sie das Gefühl, dass ihr Türkis-Rot-Pink schadet, ist’s vorbei. Die niederösterreichische Gemeinderatswahl am 26. Jänner ist diesbezüglich ein besonders kritisches Datum.