ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende wird die Erwartungen, die er geweckt hat, schwer erfüllen können. Direkte Demokratie, die er in den eigenen Reihen durchgesetzt hat, ist auch schon dabei, ihm gefährlich zu werden.
Zum SPÖ-Vorsitzenden gebracht hat es Andreas Babler unter anderem damit, dass er für Leidenschaft statt Pragmatismus stand; für Basis statt Establishment; und letztlich auch für ein Programm, das von einer Kindergrundsicherung bis zu einer nennenswerten Vermögensbesteuerung reichte. Viel übrig bleiben wird nicht davon. Es sei denn, Babler sorgt dafür, dass seine Partei in Opposition bleibt.
Ob er das politisch überstehen würde, ist jedoch fraglich: Im Moment sorgen Teile des Establishments dafür, dass Pragmatismus vorherrscht. Insbesondere „die Wiener“ um Bürgermeister Michael Ludwig und „die Gewerkschafter“ um Wolfgang Katzian sind an einer Regierungszusammenarbeit mit ÖVP und eher Neos als Grünen interessiert. Im Wissen, dass sonst eine sehr, sehr lange Kanzlerschaft von Herbert Kickl (FPÖ) angesagt sein könnte.
Das ist für die SPÖ, das ist für Babler ein großes Problem: Staatsräson im Sinne all jener, die in Kickl eine Gefährdung der liberalen Demokratie sehen? Oder Eigeninteressen?
In Bezug auf Eigeninteressen geht es bei weitem nicht nur um Macht, die man hätte, wenn man in der Regierung ist. Es geht vor allem auch um Kehrseiten: Es liegt in der Natur der Sache, dass die Sozialdemokratie in einer Koalition mit einer ÖVP, die sich in den vergangenen Jahren rechtspopulistisch ausgerichtet hat und die in mehr und mehr Bundesländern mit Freiheitlichen koaliert, ihre Vorstellungen nur in einer unbefriedigenden Art und Weise durchsetzen kann. Was für jemanden wie Babler, der für seine Vorstellungen brennt, ganz und gar unerträglich sein muss.
Nicht einmal Kompromisse werden daran viel ändern können. Die ÖVP wird niemals einer nennenswerten Vermögensbesteuerung zustimmen. Wirtschaftskreise, die relevant für sie sind, würden toben. Sie wird allenfalls bereit sein, im Gegenzug zum Beispiel auf eine KÖSt-Senkung zu verzichten, die umgekehrt die SPÖ nicht mittrage könnte. Womit es null zu null stehen würde.
Genau das aber ist das Unbefriedigende, das das Phänomen Babler einst mit ermöglicht hat: Da war eine Sehnsucht nach sozialdemokratischer Politik. Mag sein, dass das aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in Österreich von vornherein illusorisch war, ist eine solche doch allenfalls nur unter Rot-Grün möglich; in einer Konstellation also, die bei der Nationalratswahl auf keine 30 Prozent der Stimmen mehr gekommen ist. Es war jedoch nachvollziehbar, hat die Partei über die Jahre doch ihre eigenen Inhalte vernachlässigt.
Bablers Problem ist, dass er der Sehnsucht nicht gerecht werden kann. Und dass es in der Partei nicht nur Leute gibt, die er damit enttäuschen könnte, sondern auch andere, die nur darauf warten, ihn fallen zu sehen. Schlimmer: Ihnen hat er mit den direktdemokratischen Instrumenten, die er im Organisationsstatut der Partei durchgesetzt hat, Hebel in die Hand gegeben, das zu beschleunigen.
Dass ein Typ wie Rudolf Fußi schon mehr als die Hälfte der rund 14.000 notwendigen Unterstützungserklärungen erreicht haben will, damit es zwischen ihm und Babler zu einer Kampfabstimmung um den Vorsitz kommen muss, steht vor allem wohl vor diesem Hintergrund: Die Erklärungen stammen kaum nur von Leuten, die von Fußi überzeugt sind. Es würde nicht überraschen, wären auch andere dabei, die Babler ablehnen; oder dritte, die gegen eine Koalition mit der ÖVP sind – und die das Angebot von Fußi gerne nützen, das hier auf diese Weise zu bekunden.