ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende pflegt kompromisslosen Linkspopulismus. Ein Grund: Die Konkurrenz ist groß. Und inhaltlich entspricht es dem, was sich eine Mehrheit erwarten dürfte.
In der Verfassung kann man allerhand verankern. Blaue und Türkise versuchen es mit „Bargeld“, Sozialdemokraten mit einem Staatsziel „Leistbares Leben“. Entscheidend ist, wozu man sich damit zwingt. SPÖ-Chef Andreas Babler will leistbares Leben durch eine Preissteigerungsgrenze gewährleisten: Lebensmittel, Mieten, Strom, Gas, Wasser sollen nicht um mehr als zwei Prozent teurer werden dürfen. Unabhängig davon sollen laut Christian Nussers Blog bzw. Leitantrag für den Parteitag am kommenden Wochenende alle Mieten bis Ende 2025 eingefroren werden, Kontoüberziehungszinsen maximal fünf Prozent betragen dürfen und die Mehrwertsteuer auf Lebensmittel des täglichen Bedarfs temporär ausgesetzt werden. Und im Übrigen sollen auch die Grundzüge des bestehenden Pensionssystems in der Verfassung verankert werden, wobei das gesetzliche Pensionsantrittsalter unverändert bleiben soll.
Wenn Mieten bei weiter steigenden Baupreisen eingefroren werden, wird im privaten Sektor nicht mehr viel gebaut. Dann müssen Gemeinnützige mit staatlicher Unterstützung einspringen. Die Banken, die laut Leitantrag im Übrigen auch zu einem Mindestzinssatz für Sparguthaben verpflichtet werden sollen, werden irgendwann vielleicht ebenfalls gestützt werden müssen. Und so weiter und so fort. Wie sich das alles ausgehen soll, kann man sich als Laie nur fragen.
Andererseits: Auch Blaue und Türkise sind populistisch, wo es ihnen wichtig ist. Das Stichwort Bargeld ist gefallen. Pensionen sind abgesehen davon auch für sie tabu. Und bei den Preisen gehen Freiheitliche ähnlich vor (Aussetzen Mehrwertsteuer) oder verfolgt die ÖVP eher nur umgekehrte Ansätze. Sie setzt auf Hilfszahlungen für die Bürgerinnen und Bürger. Insofern sind die beiden Parteien keine glaubwürdigen Vertreter des freien Marktes, um es vorsichtig zu formulieren.
Ja, insofern würden sie sich sogar schwertun, aufgrund der erwähnten Forderungen von Bablers SPÖ eine Regierungszusammenarbeit mit dieser mit der Begründung auszuschließen, dass ihnen diese viel zu links seien. Da und dort müssten sie über ihren Schatten springen, vollkommen unmöglich wäre ihnen das aber kaum. Mit Prinzipien halten sie es ja nicht so.
Unabhängig davon, wie man zu den sozialdemokratischen Forderungen inhaltlich steht, gibt es für Babler wohl zwei Motive für diese Zuspitzung: Vollkaskostaat wird in unterschiedlichen Ausformungen gerade eben auch von Türkisen und Blauen gepflegt, sofern es nicht um Arbeitslose und Nicht-Österreicher:innen geht. Und: Links gibt es beträchtliche Konkurrenz. Man denke nur an die Kommunisten, die über Graz und Salzburg dabei sind, urbane Räume zu erobern – zum Leidwesen der SPÖ.
Das trägt dazu bei, dass Babler kompromisslosen Linkspopulismus verstärkt: Für nicht wenige Menschen in Österreich ist es selbstverständlich geworden, dass der Staat ein leistbares Leben gewährleisten muss. Mit Ausnahme der Neos (die daher wohl nie auf z.B. 20 Prozent kommen können) versuchen dem alle Parteien in irgendeiner Art und Weise gerecht zu werden. Da sieht sich Babler gezwungen, es auf die Spitze zu treiben – und einen Rechtsanspruch daraus zu machen.