Auch Wöginger ist ersetzbar

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ANALYSE. Die Behauptung, dass die ÖVP unter allen Umständen an ihrem Klubobmann festhalten muss und er auch für den Fortbestand der Koalition entscheidend ist, gehört korrigiert.

Was ist eigentlich aus Harald Mahrer geworden? Wenn man bedenkt, wie sehr er als Multifunktionär mit beschränktem Gespür für das, was einer breiteren Öffentlichkeit zumutbar ist und was nicht, Ende November für Schlagzeilen gesorgt hat, ist es bemerkenswert, wie wenig heute noch von ihm die Rede ist. Nämlich gar nicht. Es ist, als sei für die Wirtschaftskammer, deren Präsident er war, genauso alles erledigt wie für die ÖVP, deren Wirtschaftsflügel er geführt hat.

Behauptung: Zu tun hat das auch mit Martha Schultz, seine Nachfolgerin. Sie hat zwar keine riesigen Veränderungen angekündigt, aber doch so viele, dass es keinen Grund mehr zu geben scheint, sich weiter groß mit der Wirtschaftskammer zu befassen. Zumal in der Kammer auch rote, blaue, grüne und pinke Vertreter einem Reformprozess zugestimmt haben – und zwar alle.

Außerhalb politischer Zirkel ist Martha Schultz bisher kaum jemanden bekannt gewesen. Als Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer war sie kaum wahrnehmbar. Hätte man vor Mahrers Abgang eine offene Umfrage dazu durchgeführt, wer geeignet wäre, ihm nachzufolgen, es hätte wohl kaum jemand die Unternehmerin aus Tirol genannt.

Das ist etwas, was man im Kopf haben muss, wenn man glaubt, August Wöginger sei als Klubobmann der ÖVP ganz und gar unersetzbar und für den Fortbestand der Koalition überhaupt entscheidend. Letzteres ist zu einem guten Teil ein Bluff der Volkspartei, der Sozialdemokraten und Neos signalisieren soll, dass sie sich gefälligst zurückzuhalten hätten; dass sie nicht auf die Idee kommen sollten, aufgrund der Entwicklungen in der bekannten Postenschwacher-Affäre Wögingers Abgang zu fordern.

Natürlich: Wöginger ist für die ÖVP schwer ersetzbar. Erstens: Ihr Chef, Bundeskanzler Christian Stocker, ist vor einem Jahr nur eingesprungen für Karl Nehammer; er hatte keinen Plan für eine (unter anderem) personelle Veränderung und hat auch bis heute keinen für eine solche Neuausrichtung der Volkspartei. Er hat sich damit auch abhängig von Leuten wie Wöginger gemacht, die da sind und ihren Job erledigen.

Der Klubobmann einer Regierungsfraktion ist quasi als Arbeiter im Maschinenraum doppelt gefordert. Er hat dafür zu sorgen, dass die Fraktion macht, was von ihr erwartet wird; und dass es mit den Koalitionspartnern klappt. Es geht vor allem um ein Funktionieren. Es ist ein Knochenjob und kommt nicht irgendwoher, dass die Popularitätswerte der Klubobleute der größten Regierungsfraktion oft grottenschlecht sind.

Wöginger macht das seit Jahren, er kennt alle und alles, ist routiniert, hat Sebastian Kurz in seiner Funktion genauso gefallen wie Karl Nehammer und jetzt eben Stocker. Einen Besseren kann sich dieser kaum vorstellen, was aber eben auch damit zu tun hat, dass er wenig Vorstellung davon entwickelt hat, wo er als Kanzler und ÖVP-Chef überhaupt hinwill.

Es ist nicht so, dass Wöginger nicht ersetzbar ist. Es ist natürlich so, dass die ÖVP über all die Jahre als Regierungspartei personell ausgedünnt ist. Da ist Geschlossenheit gefragt, soll sich möglichst niemand profilieren. Mit Ausnahme des Chefs. Und vor allem Kurz hat das wiederum gepflegt, indem er geschaut hat, dass in den Klub eher nur Promis kommen, die zwar bekannt sind, aber politisch kein Gewicht haben.

Trotz allem gibt es im Klub aber noch immer Leute, die klassische Parteifunktionäre sind oder sich zu solchen entwickelt haben. Die insofern schon grundsätzlich für den Job im Maschinenraum in Frage kommen könnten; zum Beispiel die derzeitigen Wöginger-Stellvertreter, wobei man stets bedenken muss, dass für sie nicht wichtig ist, Menschen außerhalb der ÖVP zu gefallen, geschweige denn, eine relative Wählermehrheit zu überzeugen, sondern für die Partei zu funktionieren: Nico Marchetti (seines Zeichens auch ÖVP-Generalsekretär), Georg Strasser (Bauernbund-Präsident) und Juliane Bogner-Strauß (ÖVP-Frauenchefin).

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