ANALYSE. Die kleinste Partei, die an den Regierungsverhandlungen beteiligt ist, kann mit dem, was sich da abzeichnet, nicht zufrieden sein. Nein sagen ist für sie jedoch schwer bis unmöglich.
Von Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger stammt der schöne Satz, die Dreiparteienkoalition werde zustande kommen, „wenn man will, nicht weil man muss“. Auf wen jedoch soll das zutreffen? Für Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) handelt es sich um ein Muss. Nur so kann er sich im Amt, nur so in der Politik halten. Was für ihn, der in seinem Leben kaum etwas anderes gemacht hat als Politik, schon sehr relevant ist.
Für den SPÖ-Vorsitzenden Andreas Babler ist die Sache etwas komplizierter, letzten Endes aber gleich: Eigentlich ist es unmöglich für ihn, mit einer rechtspopulistischen ÖVP und der wirtschaftsliberalen Partei Neos zu koalieren. Das geht sich hinten und vorne nicht aus. Es ist jedoch nebensächlich geworden: Für die Sozialdemokratie insgesamt geht es um eine grundsätzliche Frage: Will sie wenigstens ein bisschen mitgestalten oder riskieren, in Opposition zugrunde zu gehen?
Die Sache ist nämlich die: Zumal man nicht davon ausgehen kann, dass sich Freiheitliche wie in den 2000er und 2010er Jahren eher früher als später wieder einmal selbst zerlegen, muss man damit rechnen, dass sie jetzt sehr lange eine bestimmende Kraft sein werden. Und dass die ÖVP eher nur ausnahmsweise nicht mit ihnen koaliert.
Das wiederum ergibt für die SPÖ, aber auch Neos eine Perspektive, die zur Schlussfolgerung führt: Jetzt trotz aller Widrigkeiten mitregieren oder schier nie (mehr)?
Das macht die Dreiparteienkoalition so wahrscheinlich. Weil man muss, nicht weil man will. Gerade auch für Neos gilt das. Bei Pinken ist es zwar kein Gerede, wenn von Leuchtturmprojekten die Rede ist. Da müsste es zum Beispiel zu einer echten Pensionsreform kommen; inklusive Automatik, was das Antrittsalter betrifft. Im Schulbereich müsste sich Wesentliches ändern. „Regierungsinserate“ müssten weitgehend abgeschafft und durch eine vervielfachte Qualitätsjournalismus-Förderung ersetzt werden. Der ORF müsste durch eine Gremienreform „entparteipolitisiert“ werden. Es müsste eine Staatsreform in die Wege geleitet werden, die Landeshauptleute entmachtet oder ihnen die Verantwortung überträgt, selbst für Steuereinnahmen zu sorgen, die sie brauchen. Und so weiter und so fort. Eh: Alles würde nie gehen. Zwei, drei dieser Punkte sind jedoch Pflicht.
Einerseits. Andererseits hat gerade Neos eine verdammt schwierige Wählerschaft. Heterogen, sprunghaft etc. Bei weitem nicht nur, unter anderem aber sehr bürgerlich, von der ÖVP kommend: Diese Leute erwarten sich, dass die Partei Verantwortung übernimmt. Und zwar am besten an der Seite der ÖVP, um (aus ihrer Sicht) einen positiven Einfluss auf diese nehmen zu können. An einer ewigen Oppositionspartei sind sie nicht interessiert. Für sie wäre es daher unverzeihlich, wenn Neos die Dreiparteienkoalition nicht zustande kommen lassen würde.
Und für Linke wäre es das, weil dann mit größerer Wahrscheinlichkeit ein „Volkskanzler“ Herbert Kickl (FPÖ) kommen würde. „Wegen den Pinken.“ Diese müssten sich zunächst einmal auf viel Kritik, aber auch Unverständnis gefasst machen. Und die Ungewissheit, ob sich jemals wieder die Chance für eine Regierungsbeteiligung ergeben könnte für sie. Das wiegt schwer.