ANALYSE. Der SPÖ-Vorsitzende setzt unbeirrt auf soziale Themen. Sein Problem: Zu viele Genossen spielen nicht mit. Und eine Masse erwartet sich nichts mehr.
Andreas Babler sagt, die Freiheitlichen seien in Schlagdistanz, er gibt sich nach wie vor überzeugt, ins Kanzleramt einziehen zu können. Bei allen Zweifeln: Bei der gegenwärtigen politischen Stimmungslage sollte man exakt gar nichts ausschließen. Könnte man den Regierungschef direkt wählen, würde kein Kandidat auf eine klare Mehrheit kommen. Bei der Erhebung zum jüngsten APA/OGM-Vertrauensindex gaben jeweils mindestens 55 Prozent der Befragten an, gegenüber Karl Nehammer (ÖVP), Herbert Kickl (SPÖ), aber auch Babler misstrauisch zu sein. Genauer: Bei ihm sind es die 55 Prozent, bei Nehammer handelt es sich um 62, bei Kickl gar um 71 Prozent. Am Ende könnte sich also durchsetzen, wer am wenigsten ablehnt wird. Groß gewollt wird keiner.
Womöglich ist das auch ein Grund dafür, dass auf dem ersten Wahlplakat der SPÖ nichts von einem Kanzleramt steht und Andreas Babler wenig staatsmännisch, kumpelhaft als „Andi“ Babler bezeichnet wird.
Zweitens: Babler schert sich nicht weiter darum, was Kickl oder Nehammer auf die Agenda setzen und halten oder was auch medial so läuft. Bandenkriege, 4600 Euro Mindestsicherung „fürs Nichtstun“ und Jihadismus. Er setzt weiter unbeirrt auf soziale Themen, fordert höhere Löhne für Arbeiterinnen und Arbeiter, eine flächendeckende Kinderbetreuung und Pensionen, wie man sie gewohnt ist.
Warum tut er das? Eine Erklärung dafür ist, dass er bei den Kickl- und Nehammer-Themen nichts zu gewinnen hat. Das kann ein Hans Peter Doskozil im Burgenland, weil es dort weder einen Kickl noch einen Nehammer gibt. Aber eben nicht er auf Bundesebene.
Trotzdem gibt es Probleme für ihn. Erstens: Genossen von Bregenz über Innsbruck und St. Pölten bis Wien spielen (neben den Eisenstädtern um Doskozil) nicht mit. Michael Ludwig beispielsweise sieht sich mehr und mehr gezwungen, zu reagieren. Er fordert neuerdings eine bundeseinheitliche Sozialhilferegelung und spricht sich dafür aus, sie bei Arbeitsfähigen über das AMS abzuwickeln. Im Übrigen äußert er sich wohlwollend zu einem Bundestrojaner, also einer Überwachungssoftware, die bei Gefährdern eingesetzt werden soll. Damit bestätigt er, dass das auch aus seiner Sicht Themen der Zeit sind, sodass Babler gezwungen ist, irgendwann zu reagieren und dem gerecht zu werden.
Zweitens: In der Zielgruppe, die Babler zu umwerben versucht, erwarten sich viele nichts mehr. Laut einer Eurobarometer-Befragung vom Frühjahr gehen über 50 Prozent der Menschen, die sich selbst der Arbeiterklasse zuordnen, davon aus, dass sich der Lebensstandard in den kommenden Jahren verschlechtern wird. Dass es nach einer langen Zeit des Aufstiegs jetzt also abwärts geht. Sie sind daher eher anfällig für blaue Radikal-„Lösungen“. Sie umzustimmen ist eine Challenge.
Drittens: Babler ist zuletzt das abhandengekommen, was ihm vor etwas mehr als einem Jahr geholfen hat, an die SPÖ-Spitze zu kommen. Neben einem Lager, dem es letztlich wichtig war, Doskozil zu verhindern, waren das eher Vertreter:innen aus der Peripherie der Partei und darüber hinaus. Leute, die begeistert waren von ihm und das auch zeigten. Was wiederum andere ansteckte. Vergleichbares ist nicht mehr wahrnehmbar. In den nächsten Wochen wird Babler jedoch angewiesen sein darauf – will er sich nicht nur aufs Glück verlassen am Wahltag.