Als wäre es Absicht gewesen

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ANALYSE. Man könnte meinen, die Neos seien in eine Falle gelockt worden. Sie sind jedenfalls in eine solche gegangen: Für eine Masse ist nicht klar, worum es bei den gescheiterten Koalitionsverhandlungen gegangen ist und welches Problem sie genau gehabt haben. Das ist verhängnisvoll.

Sehr viel hat unterm Strich für das Zustandekommen einer schwarz-rot-pinken Koalition gesprochen. Unter anderem die Perspektive auf einen sonst eher möglichen „Volkskanzler“ Herbert Kickl, der an der Seite von Viktor Orban und im Sinne von Wladimir Putin Europa destabilisiert; der in Österreich keine Strukturreformen zur Stärkung von Gesellschaft und Standort will, sondern ausschließlich autoritär und populistisch agiert: Diese Perspektive hat dazu beigetragen, Hinweise von Verhandlern zu relativieren, die in den vergangenen Wochen Skepsis zum Ausdruck gebracht haben.

Im Nachhinein ist man klüger, stellt sich vieles anders oder noch krasser dar. So verfestigt sich der Eindruck, dass es Teil der Strategie von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) war, für gewisse Dinge zu sorgen. Erstens, dass es keinen Arbeitstitel für eine mögliche Dreiparteienkoalition gab. Seinen Beratern, etwa „Mr. Message Control“ Gerald Fleischmann, muss doch klargewesen sein, worauf das hinausläuft, gerade weil die Gegensätze zwischen der Nehammer-ÖVP und der Babler-SPÖ sowie den Pinken so groß sind. Dass das Ganze vom ersten Tag an niedergeschrieben und niedergemacht wird. Stichwort „Ömpel“, Stichwort „Austroampel“, Stichwort „Zuckerlkoalition“. Die Koalition war damit schon abqualifiziert als die Verhandlungen noch liefern.

Zweitens: Es wurde wochenlang konsequent wenig bis nichts kommuniziert. Allenfalls von Budgetsanierung und „Leuchtturmprojekten“ war die Rede, immer aber ohne Inhalt. Es wirkte einerseits so, als würden sich die zeitweise hunderten Beteiligten diszipliniert an eine vereinbarte Vertraulichkeit halten, was grundsätzlich ja ein sehr gutes Zeichen wäre. Es war andererseits aber auch seltsam.

Politik heißt auch kommunizieren. Am Ende des Tages geht es schließlich darum, eine Mehrheit zu gewinnen. Gerade wenn Unpopuläres oder – bei drei Parteien – Kompromisse notwendig sind, ist Kommunikation wichtig: Da ist es entscheidend, bei den Leuten ein Verständnis für dies und jenes zu entwickeln.

Ein solches konnte bei den schwarz-rot-pinken Verhandlungen aufkommen. Und es fällt nun den Neos auf den Kopf. Beate Meinl-Reisinger hat lang und breit erklärt, dass fehlende Reformbereitschaft bei den Verhandlungspartnern ausschlaggebend dafür sei, dass sie und ihre Parteifreunde jetzt aufgestanden sind. Wo aber lag das Problem genau? Es ist nicht klar, dass es aus pinker Sicht die beharrenden Kräfte in der ÖVP sind (z.B. die Landeshauptleute) oder dass mit der SPÖ nicht die Pensionsreform zu machen ist, die man sich vorstellt. Umso weniger ist klar, wie das schwerer wiegen kann als die Aussicht auf einen „Volkskanzler“.

Gefährlich auch für Neos: Gerade ihre Wähler erwarten sich, dass sie Verantwortung übernehmen. Da muss unter den gegebenen Umständen schon verdammt gut begründet werden, warum man zum Schluss kommt, dass es besser ist, die Finger davon zu lassen. Das zu vermitteln, ist eine harte Nuss, nachdem in den vergangenen Wochen, ja Monaten so gar nichts kommuniziert wurde.

In gewisser Weise ist das alles nach dem Geschmack der ÖVP und von Karl Nehammer. Ob er jemals an Schwarz-Rot-Pink geglaubt hat, ist fraglich. Worauf er hinauswill, ebenfalls. Neos waren es jedoch, die mit einer Begründung die Verhandlungen beendet haben, die für eine Masse (noch) nicht nachvollziehbar sein kann. Damit besteht die Gefahr für sie, die der ÖVP in den vergangene Jahren tausende bürgerliche Wähler abgenommen haben, an Zuspruch zu verlieren.

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