1 Jahr Schwarz-Blau: Was sich schon geändert hat

ANALYSE. Von großen Reformen wird eher nur geredet. Verschärft hat sich vielmehr die Art, Politik zu machen.

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ANALYSE. Von großen Reformen wird eher nur geredet. Verschärft hat sich vielmehr die Art, Politik zu machen.

Das Konvolut, dass die Bundesregierung zu ihrem einjährigen Bestehen herausgegeben hat, ist beeindruckend. Zumindest vom Umfang her. Inhaltlich kann es noch nicht viel hergeben: Das größte Projekt, eine spürbare Senkung von Steuern und Beiträgen, wird erst kommen; und Reformen, die im Sinne eines Spielraumes nötig wären, sind nicht geplant.

Das ist bemerkenswert: Wer die Österreicher weniger einzahlen lassen möchte, muss zugleich auch dafür sorgen, dass sie weniger brauchen vom Staat. So einfach ist das. Gut ein Viertel der Bundesausgaben entfällt beispielsweise allein auf Ruhebezüge für Beamte und den Zuschuss zur Pensionsversicherung. Verwaltungskosten sind zu einem erheblichen Teil wiederum Personalkosten für Lehrer, Ärzte und Pflegekräfte. Optimierungen wären möglich, Thema sind sie keines. Förderungen werden alles in allem nicht gesenkt, sondern erhöht (der Familienbonus zählt zu den indirekten Förderungen und somit zum Gesamtvolumen).

Die Sozialversicherungsreform bringt nur eine Machtverschiebung. 

Die Sozialversicherungsreform bringt nur eine Machtverschiebung von roten Arbeitnehmern zu schwarzen Arbeitgebern. Reibungsverluste im Gesundheitswesen, die insbesondere zwischen Versicherungsträgern und Ländern existieren, blieben bestehen. Nennenswerte Einsparungseffekte sind auch für den Rechnungshof nicht erkennbar.

Die Mindestsicherungsreform ist finanziell symbolischer Natur und im Übrigen aber zu 99 Prozent ideologischer: Die Maßnahmen dienen in erster Linie dazu, gegen Ausländer vorzugehen. Zuwanderer sollen zunächst leer ausgehen.

Zu einem großen Systemumbau würde auch eine Bereinigung der Bund-Länder-Verhältnisse gehören. Hier jedoch steht der zuständige Justizminister Josef Moser (ÖVP) an. Schon bei der Verlagerung der Zuständigkeit für die Jugendhilfe tut er sich schwer. Das muss auch für ihn selbst, der sehr genau weiß, was nötig wäre, ernüchternd sein.

Andererseits: Der Erfolg der Regierung beruht vor allem darauf, nicht zu streiten.

Andererseits: Der Erfolg der Regierung beruht vor allem darauf, nicht zu streiten. Das kann man kaum überschätzen: Viele Wähler haben das endlose Gegeneinander von SPÖ- und ÖVP-Politkern so satt, dass sie schon erleichtert darüber sind, dass das vorbei ist. Ja, es reicht ihnen schon, wenn Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) glaubhaft machen, dass sie gut zusammenarbeiten. Die Arbeit selbst ist sekundär. Von Parteinteressen getriebene Machtpolitik vom BVT über den ORF bis zur Nationalbank ist unverändert geblieben. Statt rot-schwarz ist sie jetzt halt schwarz-blau.

Was sich geändert hat, ist das politische Framing, ist die politische Kultur: Ein gewisses Österreichertum ist mehr denn je angesagt, eine Wir-sind-wir-Mentalität, inklusive Rückzug auf sich selbst. Auch Selbstverständliches wie die europäische Integration wird dabei in Frage gestellt. Siehe Grenzkontrollen oder Indexierung der Familienbeihilfe für andere EU-Bürger. Für Fremde ist das nicht angenehm. Aber genau das ist ja auch das Ziel.

Von Willkür ist man in der Asyl- und Fremdenpolitik zu schlichter Bösartigkeit übergegangen.

In diesem Zusammenhang sind weitere Selbstverständlichkeiten, wie ein würdevoller, auf Grundrechten und -prinzipien beruhender Umgang mit Menschen, egal welcher Herkunft, außer Kraft getreten. Von Willkür, wie sie bisher auf Basis eines unvollziehbaren Asyl- und Fremdenrechts gegeben war, ist man zu schlichter Bösartigkeit übergegangen, wie sie der niederösterreichische FPÖ-Landesrat Gottfried Waldhäusl zum Ausdruck bringt.

Der Kanzler hat sich auf ein Spiel eingelassen, in dem er eher der Getriebene ist. 

Der Bundeskanzler hat sich da auf ein Spiel eingelassen, in dem er eher der Getriebene ist: Sebastian Kurz orientiert sich an rechter Politik, weil zurzeit ganz offensichtlich nur diese mehrheitsfähig ist. Entsprechend hat er seinen Flüchtlings- und Integrationskurs geändert und die Freiheitlichen in die Regierung geholt. Als Partner sind sie für ihn jedoch nicht nur angenehm. Sie machen auch ganz schön Probleme. Außenministerin Karin Kneissl mit ihrem Hochzeitsgast Wladimir Putin, FPÖ-Generalsekretär Harald Vilimsky mit seinen Anschüttungen gegenüber EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker oder FPÖ-Klubobmann Johann Gudenus mit seinen Anfeindungen gegenüber Investor George Soros. Da kann Kurz immer nur ein bisschen etwas zulassen, ein Stück korrigieren und lediglich den verbleibenden Rest vielleicht dazu nützen, selbst Akzente zu setzen.

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