ANALYSE. Die Amtsführung des gegenwärtigen Nationalratspräsidenten kann dem FPÖ-Chef gefallen. Und zwar im Hinblick darauf, dass ihm schon bald ein eigener Mann folgen dürfte.
Im Herbst 2024 werde gewählt: Was passiert, wenn autoritär-populistische Parteien staatliche Machmittel in die Hand bekommen? In den Monaten bis zum Urnengang wolle man die Antwort auf diese Frage suchen. Es ist ein spannendes Projekt, das da auf dem deutschen Verfassungsblog präsentiert wird. Es ist auf die Landtagswahl in Thüringen ausgerichtet. Die AfD ist dort am Sprung auf Platz eins.
Zeit, Vergleichbares auch für Österreich anzugehen. Die FPÖ geht als haushohe Favoritin in die EU-Wahl in nicht einmal einem halben Jahr sowie die darauffolgende Nationalratswahl. Das demokratische Problem dabei ist, dass Herbert Kickl ausdrücklich ein Volkskanzler werden möchte und den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán zum Vorbild erklärt hat. Die ÖVP mag eine Zusammenarbeit mit ihm ausschließen, das Beispiel Niederösterreich (Koalition mit Udo Landbauer) sowie die Alternative Rot-Türkis unter Andreas Babler lassen jedoch zweifeln daran; die türkise Distanz zu Babler ist inhaltlich ungleich größer als zu Kickl.
Wichtiger ist jedoch dies: Allein schon, wenn die FPÖ nach der Nationalratswahl vorne steht, bekommt sie staatliche Machtmittel in die Hand; wird (wohl) Norbert Hofer mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Nationalratspräsident und damit protokollarisch zweiter Mann im Staat (nach Bundespräsident Alexander Van der Bellen). Es ist kein geschriebenes, aber ein ungeschriebenes Gesetz, dass das Amt der stärksten Partei zufällt.
Umso verhängnisvoller ist, was der gegenwärtige Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) aus dem Amt macht. Er nützt die Nichtabsetzbarkeit nicht, um dem Parlamentarismus und damit insbesondere der Opposition, sondern seiner Partei, der ÖVP, zu dienen, die noch dazu die Regierung führt; es ist ihm sogar egal, unter anderem seit Bekanntwerden der Christian Pilnacek-Aussagen nicht über jeden Verdacht erhaben zu sein, parteilich zu sein.
Es ist schlimmer: In einem „Kurier“-Interview hat er sich gerade als Opfer in dem Sinne dargestellt, dass er sich für etwas Höheres aufgibt: Seine katastrophalen Vertrauenswerte führt er lediglich darauf zurück, dass er für deutliche Worte bekannt sei; und dass es eine gesellschaftliche Entwicklung gebe, „die sich an hohen Repräsentanten der Republik abzuarbeiten versucht“. Wobei er es als seine Pflicht ansieht, standhaft zu bleiben. Wofür, kann er nicht aussprechen. Eine Aussage wie „Für die Partei“ würde auch für ihn zu weit gehen.
Der Punkt ist: Sobotka ist Kickl mit alledem nützlich. Er schafft ein Niveau, das diesem selbst und ausgerechnet einem zukünftigen Nationalratspräsidenten Norbert Hofer nur gefallen kann, der in Bezug auf die Möglichkeiten des Bundespräsidenten einmal gesagt hat, man werde sich noch wundern, was alles geht.
Der Nationalratspräsident kann keine Gesetze beschließen. Es reicht jedoch, was er kann: Er hat alle Dienstbefugnisse für die Mitarbeiter:innen der Parlamentsdirektion, er führt Sitzungen des Nationalrats und allfälliger Untersuchungsausschüsse. Er hat das Hausrecht im Hohen Haus zu pflegen, kann etwa Veranstaltungen durchführen (oder nicht durchführen) lassen, wie es ihm gefällt. Er hat sich um Würde und Rechte des Parlaments zu kümmern.
Zum Beispiel, indem er definiert und auslegt, was Ruhe und Ordnung im Sitzungssaal bedeuten. Ist es ihm wichtig, dass das öffentliche Ansehen des Parlaments hoch ist, wird er dabei strenger sein. Andernfalls lässt er gerne freien Lauf. Motto: Sollen sich die Mandatar:innen nur selbst niedermachen.
Im Übrigen ist der Präsident „jederzeit“ berechtigt, eine Sitzung des Nationalrats auf bestimmte oder unbestimmte (!) Zeit zu unterbrechen. Laut Geschäftsordnung gilt das zwar „insbesondere“ für den Fall „einer Störung“, das heißt aber nicht, dass er auch andere Gründe dafür angeben kann. Abgewählt werden kann er ohnehin nicht.
Hier geht es nicht darum, hysterisch zu werden und einen möglichen Untergang des Parlaments an die Wand zu malen. Es geht darum, welche Spielräume zur Beschädigung existieren: Sie nüchtern zu sehen ist insofern wichtig, als Kickl eben ein Volkskanzler werden möchte. Das bedeutet indirekt, dass er ein schwaches Parlament haben will. Immerhin gibt ein solcher Kanzler ja vor, zu wissen, was gut fürs Volk sei; was wiederum keinen Widerspruch z.B. durch eine Opposition duldet.