Tirol und Tirol

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ANALYSE. Das Land ist vielschichtig, wird jedoch von einer Mehrheit geprägt, die vom Tourismus anhängig ist. Schlimmer: Seine Lobbyisten haben eine Monopolstellung und können die Politik vor sich hertreiben.

Tirol hat sich Imagewerbung in den vergangenen Tagen ersparen können. Leute wie Christoph Walser (Wirtschaftskammer-Präsident), Erwin Zangerl (AK-Präsident) und Josef Hechenberger (Landwirtschaftskammer-Präsident) oder Franz Hörl (ÖVP-Nationalratsabgeordneter, Wirtschaftsbund-Landesobmann, Hotelier, eigenen Angaben zufolge „rühriger Seilbahnpionier“) haben den Job erledigt. Walser wollte wegen angeblich nur acht positiven Mutationsfällen „kein Riesentheater“, baute sich andererseits aber bedrohlich auf, um davor zu warnen, Tirol mit neuen Beschränkungen zu versehen; dann hätte man ihn und seinesgleichen irgendwie kennengelernt. Hörl tat die Reisewarnung für das Land wiederum als „Rülpser“ aus Wien ab – und brachte es damit sogar zu einem „Spiegel“-Titel, also einer beachtlichen Reichweite im gesamten deutschsprachigen Raum.

Sind die Tiroler so? Auch wenn selbst das der Wirklichkeit natürlich bei weitem nicht gerecht werden kann, sollte man zumindest ein wenig unterscheiden: Wahlergebnisse lassen erahnen, dass es gesellschaftlich ein anderes Tirol gibt; gemeint ist das urbane mit dem Großraum Innsbruck, der zwar rund 300.000 Einwohner zählt, aber einem überwiegend ländlich geprägten mit eineinhalb Mal mehr Bewohnern gegenübersteht.

Beispiel Nationalratswahl 2019: Im gesamten Land hat die ÖVP von Sebastian Kurz 46 Prozent erreicht, in Innsbruck Stadt aber nur 29 Prozent. Die Grünen schafften 25 Prozent und die Sozialdemokraten, die unter Christian Kern zwei Jahre zuvor sogar Platz eins zusammengebracht hatten, 17 Prozent bzw. viel mehr als landesweit (zehn Prozent). Innsbruck hat im Übrigen einen ziemlich bürgerlichen, jedoch grünen Bürgermeister.

Das ist kein Zufall: Die Stadt zählt zu den städtischen Regionen Österreichs, die sich in den vergangenen Jahren besonders dynamisch entwickelt haben. Sie wächst nicht nur, sie ist jung, modern (z.B. Architektur) und vor allem auch weltoffen – weniger als Tourismus-, mehr als Wissenschaftsstandort.

Aber Innsbruck bildet mitsamt seiner Umgebung halt eine Minderheit in Tirol. Die Mehrheit ist ganz anders und durchaus auch verhängnisvoll für das Gesamte, wie man gerade sieht. These: Das Problem des Landes sind nicht so sehr Personen wie Hörl, sondern Verhältnisse, die sie hervorbringen.

Weite Teile des Landes sind schlicht abhängig vom Tourismus. Siehe etwa Bezirk Landeck: Wenn Gäste da sind, gibt es null Arbeitslosigkeit, wenn sie weg sind, liegt die Quote bei über 20 Prozent (und ist damit sogar höher als im diesbezüglich viel gescholtenen Wien). Der Tourismus ist wiederum verknüpft mit der Landwirtschaft, haben doch Bauern ihre Höfe zu Hotels ausgebaut und läuft alles mögliche über ihren Grund und Boden (bzw. den, den sie sich über Agrargemeinschaften de facto einverleibt haben).

Diese Abhängigkeit vom Tourismus begünstig die Entwicklung von Akteuren wie Hörl: Als Interessenvertreter haben sie automatisch zu viel Macht, haben niemanden gegen sich, der auch nur annähernd für einen gewissen Ausgleich sorgen könnte. Und weil sie unter diesen Umständen eben auch nie lernen mussten, um Verständnis zu werben, geschweige denn zu überzeugen, liefern sie gerade jetzt auch Auftritte wie sie sie liefern. Sie sind es gewohnt, dass getan wird, was sie sagen. Sie sind hilflos, wenn es nicht geschieht.

Und Landeshauptmann Günther Platter? Auf ihn ist hier nicht vergessen worden. Er ist in dem ganzen Gefüge aber nur ein Getriebener, der aufgrund eigener Unzulänglichkeiten nicht in der Lage ist, das Geschehen und seine wahren Parteichefs zu beeinflussen.

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