Gastkommentar von Johannes Huber auf VIENNA.AT. Die Gemeinderatswahl hat der Vorsitzende überraschend gut geschlagen, Rot-Grün 2 ist fixiert. Jetzt muss sich die Sozialdemokratie um ihre Zukunft kümmern.
Man soll dann gehen, wenn’s am schönsten ist. So gesehen hätte sich Michael Häupl am Abend des 11. Oktober 2015 als Bürgermeister und Landesparteichef der Wiener SPÖ zurückziehen müssen: Allein ihm ist es gelungen, die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache überraschend deutlich auf Distanz zu halten. Damit hatte niemand gerechnet. Und davon wird auch die Sozialdemokratie noch lange zehren – die Genossen können Häupl jedenfalls nicht genug Orden verleihen, um sich dafür erkenntlich zu zeigen.
Doch die Zeit bleibt nicht stehen. Und Michael Häupl wird Stadt und Partei nicht ewig führen können. Diese Woche hat er selbst schon einmal nebenbei bemerkt, dass sein Abschied kommen wird: Ob die Gemeinsame Schule in ein paar Jahren flächendeckend eingeführt wird, werden seinen Worten zufolge „die handelnden Personen dann entscheiden“. Und nicht mehr er.
Wer soll Häupl nachfolgen? Schlecht beraten wären sie, diese Frage allein ihm zu überlassen.
Höchste Zeit also auch für die Sozialdemokraten, sich Gedanken über die Zukunft zu machen: Wer soll Häupl nachfolgen? Schlecht beraten wären sie, diese Frage allein ihm zu überlassen. Sie müssen ihr Schicksal schon selbst in die Hand nehmen. Außerdem ist Häupl ein Machtmensch: Nur wenige Inhalte sind ihm so wichtig wie die Asylpolitik, dass er sich ganz dafür ins Zeug haut. Bildung zählt schon nicht mehr dazu, wie man dieser Tage gesehen hat: Dass er die De-facto-Absage an die Gemeinsame Schule so mir nichts, dir nichts mitgetragen hat, ist ein Armutszeugnis. Das war einst eine sozialdemokratische Kernforderung. Und zumal mittlerweile auch vom Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner bis zum Wirtschaftskammer-Präsidenten Christoph Leitl namhafte ÖVP-Vertreter dafür zu haben wären, hätte etwas mehr Engagement dafür nicht geschadet; im Gegenteil. Wichtiger als solche Dinge ist Häupl jedoch der Machterhalt. Und den hat er sich und seinen Genossen in Wien mit tatkräftiger Unterstützung der Grünen soeben auf weitere fünf Jahre gesichert.
Denkt man sich Häupl aus seinen Funktionen weg, dann befindet sich die Partei in einem katastrophalen Zustand.
Auf Dauer ist das für die SPÖ allerdings zu wenig. Denkt man sich Häupl aus seinen Funktionen weg, dann befindet sich die Partei in einem katastrophalen Zustand: Ein Hoffnungsträger, auf den alle schauen, ist nicht in Sicht. In den großen Flächenbezirken ist die Partei hinter die FPÖ zurückgefallen oder allenfalls noch gleichauf mit ihr. Junge Leute, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen, kritisch sind und auch inhaltlich neues Leben in die alte Tante namens Sozialdemokratie einhauchen könnten? Fehlanzeige.
Umso dringlicher ist es, dass Häupl, der sich mit seinen 66 Jahren den Ruhestand ohnehin längst wohlverdient hat, Platz macht. Sein Nachfolger als Bürgermeister und Landesparteivorsitzender braucht jeden Tag bis zur nächsten Gemeinderatswahl spätestens im Oktober 2020, um sich selbst zu profilieren, Akzente für die Stadt zu setzen, mit den Grünen zurecht zu kommen und vor allem auch die SPÖ wieder wettbewerbsfähig zu machen.