ANALYSE. Gerade in der Bundeshauptstadt lebt die Sozialdemokratie von der Konfrontation mit Strache und Co. Und daher tut sich Ludwig auch so schwer, Häupl zu stürzen.
Michael Häupl hat sich als Bürgermeister und SPÖ-Wien-Vorsitzender wieder einmal ein bisschen Spielraum erarbeitet. Und zwar mit Trick 17: Auf der Klausurtagung seiner Rathausfraktion hat er seine Genossen darauf eingeschworen, dass es darum gehe, im Hinblick auf die kommende Nationalratswahl Kanzler und Bundesparteichef Christian Kern zu unterstützen bzw. (mehr noch) einen Triumphzug der Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache zu verhindern. Gerade letzteres war und ist das wohl größte Erfolgsrezept von Häupl: Sich als Strache-Verhinderer inszenieren. Das bindet einen größeren Teil all jener, die Strache verhindern wollen, quasi automatisch an ihn.
Und das ist zugleich auch die entscheidende Schwäche seines wichtigsten Widersachers: Wohnbaustadtrat Michael Ludwig steht für eine Annäherung an die Freiheitlichen nach burgenländischem Vorbild. Als Vertreter der sogenannten Flächenbezirke meinen er und seine Mitstreiter, man könne den dortigen Aufstieg der Freiheitlichen nur dadurch bremsen, dass man mit diesen koaliert.
Das ist jedoch ein Irrtum; Wahlergebnisse und –analysen der jüngeren Vergangenheit widersprechen dem: Bei der Bundespräsidenten-Wahl hat der nunmehrige Amtsinhaber Alexander Van der Bellen in Wien ganze 65,7 Prozent geholt. Wobei man sich in diesem Zusammenhang die Motive näher anschauen sollte.
Laut einer Erhebung des Sozialforschungsinstituts SORA unterstützten bundesweit nur 34 Prozent der Van der Bellen-Wähler ebendiesen, weil sie seinen Wahlsieg haben wollten. Mehr noch, 42 Prozent nämlich, ging es primär um die Verhinderung seines Gegenhandelten Norbert Hofer (FPÖ). Dass Van der Bellen in Wien nun sein mit Abstand bestes Bundesländerergebnis schaffte, lässt darauf schließen, wie wichtig es für die Sozialdemokratie ebendort aus rein strategischen Gründen ist, die Konfrontation mit den Freiheitlichen zu pflegen.
Man könnte es auch so sagen: Schlecht gelaunte österreichische Männer zog es eher zur FPÖ, Frauen, Migranten und Leute mit einer positiveren Grundstimmung eher zur SPÖ.
Wobei in der Bundeshauptstadt hinzu kommt, dass sich die Gesellschaft da und dort nicht nur nach rechts, sondern zum Teil auch nach links bewegt: In Bezirken wie Rudolfsheim-Fünfhaus haben die Freiheitlichen ihre besten Zeiten ganz offensichtlich längst hinter sich; dort sind sie bei der Gemeinderatswahl 2015 nicht an ihre Ergebnisse aus den 1990er Jahren herangekommen. Davon profitiert haben vor allem die Grünen. Soll heißen: Ignoriert die SPÖ das ganz und gar, verstärkt sie auch noch ihre Verluste an diese.
Bei der Gemeinderatswahl 2015 hat sich laut den Ergebnissen einer SORA-Befragung im Übrigen gezeigt, wie sehr sich SPÖ- und FPÖ-Wählergruppen unterscheiden. Die absolute Mehrheit derer, die damals fanden, Wien sei lebenswert, wählte rot (51 Prozent) – und gerade einmal 13 Prozent blau. Bei den Frauen kam die SPÖ auf 42 und die FPÖ auf nur 30 Prozent. Bei den Migranten erstere auf 45 und letztere, wenig überraschend, auf 24 Prozent.
Man könnte es auch so sagen: Schlecht gelaunte österreichische Männer zog es eher zur FPÖ, Frauen, Migranten und Leute mit einer positiveren Grundstimmung eher zur SPÖ. Und zumal letztere eher zahlreicher werden, wäre die Sozialdemokratie wohl besser beraten, sich zu überlegen, wie sie diesen ein attraktiveres Angebot machen könnte, als eine Annäherung zu den Freiheitlichen zu erwägen; das könnte für sie sogar lebensgefährlich sein.