ANALYSE. „Gemeinsam für Wien“ hat sich für die Gemeinderatswahl qualifiziert – steht jetzt aber vor ganz neuen Herausforderungen.
In letzter Minute hatten Turgay Taskiran und seine Mitstreiter von „Gemeinsam für Wien“ am vergangenen Freitag in sämtlichen Bezirken genügend Unterstützungserklärungen gesammelt, um bei der Gemeinderatswahl am 11. Oktober in der gesamten Stadt antreten zu können.
Die beachtliche Leistung ist jedoch in der Meldungsflut über die jüngste Flüchtlingswelle aus Ungarn untergegangen. Das zeigt dem türkischstämmigen Arzt, wie schwer es ist, sich bemerkbar zu machen. Ändern wird sich das in den nächsten Wochen kaum. Vor allem aber hat „Gemeinsam für Wien“ noch einige zusätzliche Hürden vor sich.
Die erste Hürde ist eine inhaltliche: Zurzeit beweisen viele Wienerinnen und Wiener enorm viel Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen. Auch die Stadt selbst muss sich diesbezüglich nichts vorwerfen zu lassen. Sie tut mehr als die meisten übrigen Bundesländer mit Ausnahme Niederösterreichs zusammen. Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass es daneben sehr wohl noch Integrationsprobleme gibt; Wien lebt dieser Tage jedoch eine Offenheit für Fremde, wie sie auch international nur selten vorkommt. Für Taskiran und Co. wird es daher schier unmöglich, die Probleme hervorzukehren.
Die zweite Hürde: So unglücklich über die SPÖ dürften Wahlberechtigte mit Migrationshintergrund gar nicht sein, dass sich ein ernsthafter Markt für eine neue Partei auftun könnte. Laut SORA haben 2010 jedenfalls 55 Prozent „rot“ gewählt – das sind deutlich mehr gewesen als die Sozialdemokraten insgesamt erreichten (44,34 Prozent).
Die dritte Hürde: Sollten die anderen Parteien merken, dass Turgay Taskiran trotz allem auf größeren Zuspruch stößt, werden sie diesen zu Klarstellungen zwingen, die ihn in Bedrängnis bringen könnten. Zum Beispiel, was sein – bisher ungeklärtes – Verhältnis zum türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdoğan betrifft, der ja nicht gerade als leuchtendes Vorbild für Integration gelten kann, nachdem er seinem Land viel eher eine Islamisierung verordnet.