ANALYSE. Das Verfassungsgesetz zur Unterbringung von Flüchtlingen stärkt die Innenministerin – setzt sie vor allem aber auch unter Druck.
Das Verfassungsgesetz, das die Klubobleute Andreas Schieder (SPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP) und Eva Glawischnig (Grünen) in der Sondersitzung des Nationalrats vom 1. September eingebracht haben, sollte den Flüchtlingen zugutekommen. Zustände, wie sie im Sommer in Traiskirchen herrschten, müssten jedenfalls der Vergangenheit angehören. Angesichts des Zustroms weiterer Asylwerber ist das eine Mammutaufgabe. Vor allem für die Innenministerin: Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wird zwar gestärkt, muss aber auch die ganze Verantwortung übernehmen.
Artikel 1 des Verfassungsgesetzes über die „Unterbringung und Aufteilung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“ enthält Selbstverständlichkeiten. Trotzdem handelt es sich um einen Fortschritt: Für Flüchtlinge müssen ausdrücklich ein „angemessener Wohnraum“, ein Schlafplatz und „ausreichende Sanitäranlagen“ geschaffen werden. All das „darf weder gesundheits- noch umweltgefährdend“ sein – und liest sich damit wie eine Antwort auf „Traiskirchen“, wo nichts davon gewährleistet war.
Zurückzuführen waren die Probleme nicht zuletzt auf ein Tauziehen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Innenministerin Mikl-Leitner beschwerte sich etwa darüber, dass die Kommunen nicht genug Plätze zur Verfügung stellten. Diese Begründung wird schon bald nicht mehr als Ausrede herhalten können: Ab 1. Oktober, wenn das neue Gesetz in Kraft tritt, wird sie selbst die Möglichkeit haben, auf Bundesliegenschaften vom Boden- bis zum Neusiedlersee adäquate Unterkünfte zu schaffen. Vor Ort wird’s keine Vetomöglichkeit mehr dagegen geben. Mikl-Leitner wird die Lösung der bestehenden Probleme also selbst in der Hand haben. Anders ausgedrückt: Schafft sie es nicht, liegt es allein an ihr.
Die Innenministerin steht damit vor einer bemerkenswerten Aufgabe. Über die Dimensionen kann man sich nach Lektüre des Verfassungsgesetzes eine Vorstellung machen: Ein Richtwert sieht vor, dass jede Gemeinde „im Bedarfsfall“ Unterbringungsmöglichkeiten im Umfang von 1,5 Prozent der Wohnbevölkerung bereitzustellen hat. Österreichweit wären das rund 125.000. In Wien allein mehr als 26.000, in Graz knapp 4000, in Insbruck 1850 und in Bregenz, wo sich derzeit 214 Flüchtlinge befinden, 420. Immerhin wird in dem Gesetz allerdings auch der Schaffung von Massenunterkünften ein Riegel vorgeschoben: „Auf einem Grundstück dürfen nicht mehr als 450 hilfs- und schutzbedürftige Fremde untergebracht werden.“