ANALYSE. Fotojournalismus unter Druck: Einsparungen und Beschränkungen. Was die Demokratie verliert.
Man stelle sich vor, unabhängige Medien würden Texte über den Kanzler oder einen Minister veröffentlichen, die von ihren Pressesprechern geschrieben worden sind. Und zwar nicht irgendwo, sondern für Leserinnen und Leser kaum wahrnehmbar im redaktionellen Teil. Es wirkt unvorstellbar. Umso bemerkenswerter ist, dass Vergleichbares in der Bildberichterstattung vorkommt. Bilder, die den Kanzler oder einen Minister zeigen, stammen immer wieder aus ihrem Umfeld bzw. von einem Fotografen, den sie eigens dafür engagiert haben. Der damalige Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) zum Beispiel tat das allein im ersten Halbjahr 2021 über 30 Mal, wie einer parlamentarischen Anfragebeantwortung zu entnehmen ist. So beginnt „Picture Control“, von der der Fotograf Georges Schneider weiter unten in einem anderen Zusammenhang noch sprechen wird.
Es geht hier um ein prinzipielles Problem, das kaum wahrgenommen wird: Medien müssen sparen und sparen daher in den Redaktionen im Allgemeinen und – zumal sie ohnehin von Kanzler und Ministern etwa mit Bildern versorgt werden – bei den Fotografen im Besonderen. Als wäre das, was sie machen, am ehesten verzichtbar. Kann man letzten Endes jedoch einen Unterschied zwischen Texten und Bildern machen? Wenn man bedenkt, wie wirkungsstark Bilder sein können, die zum Beispiel einen Politiker zeigen, wie er ist, dann sollte man vorsichtig sein, auf diese Frage mit Ja zu antworten.
„Alle Zeitungen bringen das Gleiche“, heißt es seit Jahr und Tag. Rezipientinnen und Rezipienten vermitteln so ein Gefühl, das sie haben. Es ist daher ernst zu nehmen und hat nicht nur damit zu tun, dass Redaktionen so klein geworden sind, dass immer weniger Ressourcen bleiben, sich „anderen“ geschriebenen Geschichten oder auch Zugängen zu widmen. Darüber hinaus ist es auch so, dass sich kaum noch eine österreichische Zeitung oder ein Magazin eine eigene Bildsprache, ja, eine eigene Form des Fotojournalismus leistet. Es ist, als würden alle Texte in einem zunehmend ähnlichen Stil verfasst werden.
Noch einmal: Wenn man sich vor Augen führt, wie wirkungsstark Bilder von Politikern sein können, dann ist das ein großes Problem. Vor allen in einer Zeit, in der Rechtspopulisten dazu ansetzen, Demokratie zu zerstören und vor allem in einer Zeit, in der Inszenierung sowie Message Control um sich greifen, um über ersteres hinwegzutäuschen.
Das passiert ausgerechnet auch auf parlamentarischer Ebene. „Nach der Message Control die Picture Control?“, fragt der selbstständige Fotograf Georges Schneider in einer Zusammenstellung, die er zum Thema erstellt und mit dieSubstanz.at geteilt hat: Mit ein paar Schildern und viel Plastikfolie werden Kreativität und Blickwinkel für seinesgleichen massiv eingeschränkt – zum Leidwesen der Medien und der gesamten Öffentlichkeit.
Beispiel 1: Bis 2023 war es möglich, aus dem Couloir sozusagen auf Augenhöhe in den Sitzungsaal des Nationalrats zu fotografieren. Der Couloir ist ein Gang, der diesen umgibt und der nur durch Glastüren von ihm getrennt ist. Dann kamen auf Schildern ausgewiesene Zugangsbeschränkungen und wenig später wurden die Glastüren mit Sichtschutzfolien beklebt. Schneider: „Es entfallen damit selbstverständlich auch die tollen Bilder aus der Mitte des Couloirs, bei denen man die Regierungsbank, den aktuellen Redner und den Nationalratspräsidenten frontal festhalten konnte. Das geht jetzt nur mehr bedingt, von der Journalistengalerie aus, also nur mehr aus der eher unbefriedigenden Vogelperspektive.“
Beispiel 2: Auskunftspersonen in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen können auf Anfrage des Parlaments entscheiden, ob sie vor Beginn ihrer Befragung im Ausschusslokal gefilmt oder fotografiert werden dürfen oder nicht. Das ist grundsätzlich gut so im Sinne des Persönlichkeitsschutzes, sollte jedoch bei Personen von öffentlichem Interesse eine Grenze haben. Bei einem Kanzlerkandidaten, Parteichef und Klubobmann zum Beispiel. Die Rede ist von Herbert Kickl.
Als Auskunftsperson betrieb er jüngst „Picture Control“ par excellence, wie Schneider ausführt: Zunächst habe er im Parlament eine Pressekonferenz gegeben. Dann habe er das Ausschusslokal jedoch über einen Zugang betreten, der für Fotografen und Kameraleute verboten ist. Und schließlich habe er sich, ebendort angekommen, weder filmen noch fotografieren lassen. Behauptung: Als Person von öffentlichem Interesse wäre ihm das nicht zugestanden. Das Parlament hat es ihm jedoch zugestanden.
Kickls Ziel war klar: Von einer breiteren Öffentlichkeit nur ja nicht als ehemaliger Innenminister gesehen werden, der als solcher politische Verantwortung trug und daher Rede und Antwort zu stehen hat. Von seinem Auftritt im Ausschuss sollte es nur Bilder von der selbst inszenierten Pressekonferenz geben. Immerhin: Ganz ging die Rechnung laut Schneider nicht auf. Einigen Fotografen sei es gelungen, ins Ausschusslokal reinzufotografieren und dabei auch Kickl aufs Bild zu bekommen. Besser als nichts. Und dennoch eine Zumutung.