ANALYSE. Die Reaktionen auf die erstmalige Veröffentlichung von Spitzeneinkommen sind erwartungsgemäß ausgefallen. So durchschaubar ist „Medienpolitik“ noch selten gewesen.
Es lohnt sich, darauf zu achten, was ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker sagt. Durch ihn werden politische Motive und Hintergründe deutlich. Zu Ostern gab er sich über die Spitzeneinkommen im ORF empört: Es sei gut, dass Medienministerin Susanne Raab (ÖVP) für Transparenz gesorgt habe, meinte er. Die „exorbitanten Gagen“ müssten ein Ende haben. Nachsatz: Es liege an der Führung des ORF aufzuklären, wer „diese Traumgagen“ genehmigt habe und wie sie zustande gekommen seien.
Ja, hier verdienen einige Leute sehr viel, wenn man vom Durchschnitt ausgeht. „Ö3-Wecker“-Star Robert Kratky kommt beim ORF auf jährlich 443.894,30 Euro sowie auf monatliche Nebeneinkünfte von 8500 Euro. Pius Strobl, langjähriger Fädenzieher im Hintergrund, erreicht 425.677,42 plus 2500 Euro. Und so weiter und so fort.
Im Zuge einer ORF-Reform hat Raab mit grüner Hilfe durchgesetzt, dass derlei von nun an jedes Jahr publik wird. Wozu? In den Erläuterungen hieß es unter anderem: „Die „Regelung soll dem Interesse der Öffentlichkeit an der Information, wie viele Einkommen in welcher Höhe mit ihren ORF-Beiträgen mitfinanziert werden, Rechnung tragen.“
Das war schon verdächtig: Zu sehr wird hier Transparenz als Selbstzweck abgehandelt. Anders ausgedrückt: So gar nicht wird jetzt auch in der Umsetzung eingeordnet, wer warum wie viel bekommt. Daher überwiegen einfach nur Verwunderung und Empörung: Wie kann es sein, dass einer wie Kratky, der nichts Wesentliches zu sagen hat, der keinen Journalismus betreibt, so viel verdient? These: Es wäre vielleicht erklärbar: Er bringt Hörer:innen, also Reichweite und Werbegelder.
Das tut jedoch alles nichts zur Sache. Es ist bezeichnend für eine Medienpolitik, die Medien gegen die Wand fährt und die von Susanne Raab betrieben wird. Stichwort „Wiener Zeitung“, jetzt ORF. Das Ziel ist erreicht. Ausgerechnet die „Krone“, die skandalös viel Inseraten-Steuergeld erhält, gibt sich fassungslos. FPÖ-Generalsekretär Christian Hafenecker ortet einen „Privilegienstadl Küniglberg“ und kündigt an, dass es so nicht weitergehen könne.
ÖVP wie FPÖ geht es nicht um einen besseren ORF mit nachvollziehbaren Gehältern. Sie wollen einen schwachen oder einfach nur einen im Sinne eines Volkskanzlers funktionierenden ORF. Mit – wie gesagt grüner Hilfe – arbeitet die Volkspartei daran. Es war beabsichtigt und ist ihr einfach nur recht, dass die „Gagen“ jetzt zu einer solchen Anti-ORF-Stimmung führen.
Da geht es nicht um Transparenz. Würde es das tun, wäre das einer Partei wie der ÖVP auch in eigener Sache wichtig. Zum Beispiel bei der Parteienfinanzierung. Im Übrigen hätte sie für echte Informationsfreiheit gesorgt. Das hat sie aber eben nicht. Transparenz wird in ihrer Welt eher nur gegen jemanden eingesetzt, dem man schaden will.
Über Andreas Babler fallen sie her, wenn er sich über Spitzengehälter und -vermögen aufregt. Da reden sie von einem Linken. Hier aber haben sie kein Problem damit, sich selbst empört zu geben. Weil es ihnen eben um etwas anderes geht, nicht um die Höhe der Gehälter. Es geht um Neid und Missgunst, es geht um Stimmungsmache gegen den ORF.
Stocker ist sich zu nichts zu blöd. Er tut, als höre er zum ersten Mal, was beim ORF läuft. Ausgerechnet er, der Generalsekretär der Partei ist, die den ORF über den Stiftungsrat in der Hand hat. Die im Stiftungsrat ihre Leute hat, die wiederum den gesetzlichen Auftrag haben, wie Aufsichtsräte den ORF zu kontrollieren. Die daher alles Wesentliche wissen. Und damit auch ihre Partei. Doch genau darüber versucht der Herr Stocker hinwegzutäuschen.