ORF im Licht

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ANALYSE. An die Spitze des öffentlich-rechtlichen Rundfunks einen Thomas Schmid zu setzen, ist schwerer geworden für Sebastian Kurz. Und das ist zunächst einmal gut so.

ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz tut viel, um Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) nicht zu enttäuschen. Zuletzt durfte Kurz sogar in einer „ZIB Spezial“ im Hauptabendprogramm auftreten; sie war ebendort aus (inhaltlich) unerfindlichen Gründen angesetzt worden. „Der Standard“ mutmaßte, es sei darum gegangen, „mit dem Kanzler das Positive“ zu erleben, sich also gemeinsam mit ihm über ein Licht am Ende des Tunnels und auf einen (angeblich) ganz normalen Sommer zu freuen.

Wie einem ausführlichen Bericht der „Tiroler Tageszeitung“ (TT) zu entnehmen ist, muss Wrabetz jedoch zittern: De facto entscheidet Kurz über seine Stiftungsräte, wer im August zum Generaldirektor oder zur Generaldirektorin gewählt wird. Auf der Liste stehen „neue“ Namen; an erster Stelle offenbar ORF-„Chefproducer“ Roland Weißmann, der laut TT nicht nur als „willfährig“ beschrieben wird, sondern als „Thomas Schmid des ORF“.

Die Person, von der das stammt, hat wohl die Absicht, allfällige Kurz-Pläne in diese Richtung zu zerstören. Erfolgsaussichten: durchaus gegeben. Und das ist gut so. Zumindest zunächst einmal.

Zum Tag der Pressefreiheit twitterte der Kanzler am 3. Mai, die Pressefreiheit und starke, unabhängige Medien seien „wesentliche Pfeiler unserer liberalen Demokratie“. Zusatz: „Als Bundesregierung bekennen wir uns uneingeschränkt zur Presse- und Medienfreiheit.“ Inseratenpolitik und vieles andere mehr mag daran zweifeln lassen, Kurz kann es sich aber weniger denn je leisten, an Feiertagen dies zu sagen und werktags jenes (im Sinne von ganz Anderes) zu tun.

Pressefreiheit und starke, unabhängige Medien sind wesentliche Pfeiler unserer liberalen Demokratie. Als Bundesregierung bekennen wir uns uneingeschränkt zur Presse- und Medienfreiheit. #Pressefreiheit

— Sebastian Kurz (@sebastiankurz) May 3, 2021

Gerade bei Postenbesetzungen hat er sein Kapital verspielt. 2017 ist er angetreten, neue Politik zu machen. Klassische Parteiinteressen sollten keine wahrnehmbare Rolle mehr spielen. Das hat viele Menschen in Österreich überzeugt. Gekommen ist jedoch das glatte Gegenteil davon. Siehe die Chats zur Bestellung von „Familien“-Mitglied Thomas Schmid zum ÖBAG-Chef.

Kurz stellt das immerhin schon selbst als Uraltpolitik dar: „Manchmal habe ich das Gefühl, dass jede Personalentscheidung, die von einer linken Partei gefällt wird, als Segen dargestellt wird, und wenn sie von der bürgerlichen Seite kommt, als Verbrechen“, erklärte er unlängst gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“. Soll heißen: Wenn andere immer schon Günstlinge untergebracht haben und dies auch weiterhin tun, müssen wir das ebenfalls dürfen. Gemessen an den ursprünglich selbst definierten Ansprüchen ist das freilich gar nichts mehr.

Der Kanzler lebt in Wirklichkeit jedoch weiter davon, dass von ihm erwartet wird, dass er es besser macht. Tut er es nicht, ist die Enttäuschung bei immer mehr Anhängern groß, verliert er es in den Umfragen noch stärker als es ohnehin schon tut.

Gerade unter diesen Umständen ist es zunächst einmal erfreulich, dass jetzt so genau darauf geachtet wird, wie das nun beim ORF läuft: Kaum vorstellbar, dass sich Kurz hier noch einen „Thomas Schmid“ leisten kann; damit würde er signalisieren, dass ihm jetzt eh schon alles egal sei. Im Idealfall würde er eine Person wählen, die für einen starken ORF im Sinne eines starken Journalismus‘ steht. Damit würde er es auch Kritikerkinnen und Kritikern zeigen.

Die einfachste und daher (leider) nicht unwahrscheinlichste Lösung wäre, Wrabetz zu bestätigen. Das ist kein Türkiser, Kurz könnte umso mehr sagen, dass Parteinähe keine Rolle spiele. Umgekehrt aber müsste er sich ohnehin nicht beklagen über Wrabetz, dieser bemüht sich eh schon in seinem Sinne zu wirken.

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