Offen gefragt

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BERICHT. Neues Pressekonferenz-Format als Beitrag zur Stärkung der liberalen Demokratie.

Gerade hat die erste „Offen gefragt“-Pressekonferenz stattgefunden. Das ist ein Format, das der Presseclub Concordia, die Vereinigung der Parlamentsredakteurinnen und -redakteure sowie die Initiative für Qualität im Journalismus entwickelt haben. Es mag so banal klingen, dass begründet werden muss, warum es hier erwähnt wird.

In den vergangenen Jahren sind wesentliche Bestandteile der liberalen Demokratie erodiert. Beispiel: Politik ist mehr und mehr zu einseitiger Kommunikation übergegangen. Spin Doktoren und Message Control-Berater überlegen sich, was Kanzler und Co. sagen könnten, um den Leuten zu gefallen. Das Ergebnis setzen sie in sozialen Medien oder Pressestatements ab, klassischen Medien kommt ausschließlich die Funktion zu, die Botschaften zu transportieren. Eigentlich eine traurige Funktion.

Genauer: Eine unzureichende Funktion. Medien haben relevante Inhalte zu transportieren, vor allem aber auch einzuordnen und zu hinterfragen. Wichtiger: Sie haben auch Inhalte zu behandeln, die relevant sind, von Politikern und ihren Beratern aber gemieden werden, weil sie vielleicht keine Stimmen bringen.

Diesen Funktionen gerecht zu werden, ist schwieriger geworden. Wöchentliche Pressefoyers, bei denen sich Kanzler und Vize offen den Fragen von Journalistinnen und Journalisten stellen, gibt es in dieser Form nicht mehr. Und ausgerechnet Herbert Kickl (FPÖ), der vorgibt, ein Volkskanzler werden zu wollen, meidet Journalistinnen und Journalisten, wo er kann. Er verbreitet seine Botschaften lieber kotrolliert, also ungestört, über seine Kanäle, FPÖ TV etc.

Gefühlt werden diese Entwicklungen durch ein Phänomen verstärkt, das in der Pandemie aufgekommen und nicht mehr ganz verschwunden ist: Es gibt weniger persönliche Gespräche. Und daher können viele Fragen auch gar nicht mehr aufkommen.

Jedenfalls darf die Medienkrise nicht vergessen werden: Zuletzt sind zwei Tageszeitungen eingestellt worden (Wiener Zeitung, Volksblatt), weitere haben Redakteurinnen und Redakteure abgebaut.

Was tun? „Offen gefragt“ ist ein kleiner Beitrag, gegenzusteuern. Die eingangs erwähnten Organisationen haben sich vorgenommen, in unregelmäßigen Abständen Persönlichkeiten mit Bedeutung für die österreichische Politik in den Presseclub Concordia einzuladen, um sie eine Stunde lang mit Fragen zu konfrontieren, die aus journalistischer Sicht relevant sind. Zum Auftakt eingeladen wurden Bundespräsident, Bundeskanzler und Vizekanzler. Dieser, Werner Kogler von den Grünen, hat als erster zugesagt und war nun Teil der Premiere. (Bericht dazu hier auf ORF.AT.)

Große Schlagzeilen? Im Vordergrund steht zunächst, dass dieses Pressekonferenz-Format in die Welt gesetzt ist, dass das Medieninteresse zum Auftakt erheblich war und das Ganze auch in Deutschland wahrgenommen wird. Dort gibt es die Bundespressekonferenz (BPK). Das ist eine Institution, die seit 75 Jahre existiert und die regelmäßig Pressekonferenzen abhält. Genauer: Die regelmäßig Persönlichkeiten zu Pressekonferenzen einlädt. Vom Kanzler abwärts.

BPK-Vorsitzender Mathis Feldhoff schrieb in einer Großbotschaft nach Wien: „Nicht nur in Deutschland ist in den letzten Jahren die freie Presse und die Demokratie unter Druck geraten. Das unselige Wort der „Lügenpresse“ ist leider inzwischen vielfach Teil der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen. Die Möglichkeit offen zu fragen, die Möglichkeit zu schreiben und zu senden, was wir für richtig und wichtig halten, ist das Grundprinzip der freien Presse. Dieser Grundsatz ist ein elementarer und unteilbarer Bestandteil der Demokratie, die wir gemeinsam jeden Tag verteidigen müssen.“

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