ANALYSE. Vorwürfe, die in einer anonymen Anzeige zum „Falter“ erhoben werden, sind nicht nachvollziehbar.
Die „Kronen Zeitung“ wittert mögliche Inseratenkorruption. Im Zentrum: Die Wochenzeitung „Falter“ einerseits sowie die Stadt Wien und die Arbeiterkammer andererseits bzw. die Behauptung, dass die beiden in der Zeitung quasi unverhältnismäßig viel inseriert hätten. Der Bericht stützt sich auf eine anonyme Anzeige, die Peter Pilz vorliegt. Benachteiligt werden würden demnach die „Krone“ oder auch „Heute“, wo man um dasselbe Geld eine größere Leserschaft erreicht hätte. In einer Anlage wird laut Pilz etwa darauf hingewiesen, dass der „Falter“ von 2012 bis 2023 von der Stadt Wien Inserate in Höhe von 4,76 Millionen Euro erhalten habe.
Nachvollziehen lässt sich das nur bedingt. Die offizielle Medientransparenzdatenbank enthält immer nur Daten für einen kurzen Zeitraum. Ältere sind dort nicht mehr verfügbar. Was der Staat der Öffentlichkeit hier vorenthält, liegt zum Glück auf der Seite medien-transparenz.at vor. Ergebnis: Seit 2012 sind demnach – bis Juni 2023 – Stadt Wien-Inserate im Wert von knapp 3 Millionen Euro im „Falter“ erschienen. In „Heute“ waren es mit 36,4 Millionen zwölf, in der „Krone“ mit 33,9 Millionen Euro gut elf Mal mehr.
Diese Summen an der Leserschaft zu bemessen, ist schwer. Diese hat sich extrem stark verändert. Für eine Annäherung ist hier jedoch jene zugrunde gelegt, die die Media-Analyse 2017 für Wien auswies: Bei der „Krone“ kamen über all die Jahre demnach 86,90 Euro pro Leser:in von der Stadt Wien, bei „Heute“ 76,98 Euro und beim „Falter“ 37,95 Euro. Wobei man natürlich berücksichtigen muss, dass das eine Wochen- und keine Tageszeitung ist. Andererseits: In einer Zeitung, die sieben Mal öfter erscheint, erreicht man nicht sieben Mal mehr Leser:innen. Man erreicht einzelne allenfalls eher oder öfter.
Besser pro Leser:in bemessen lassen sich aktuelle Inseratengeschäfte. Beispielhaft also jene, die im ersten Halbjahr 2023 getätigt worden sind. Wenn man sie der Media-Analyse 2022 gegenüberstellt, ergibt sich folgendes Ergebnis: In Bezug auf die Stadt Wien handelte es sich bei der „Krone“ um knapp zwei Euro und bei „Heute“ um 2,16 Euro. Beim „Falter“ jedoch um 27 Cent. Berücksichtigt man noch die Beteiligungsunternehmen der Stadt, wie sie auf medien-transparenz.at zusammengefasst sind, erhöhen sich die Beträge auf 2,72 Euro bei der „Krone“, 3,18 Euro bei Heute“ und 1,10 Euro beim „Falter“.
Auffallend ist hier eher, dass Qualitätstageszeitungen gut abschneiden. Bei der Stadt Wien inkl. Beteiligungsunternehmen kam die „Presse“ auf 4,87 Euro und der „Standard“ auf 3,95 Euro. Das entspricht einem ähnlichen Niveau wie „Österreich – oe24“ mit 4,31 Euro.
Soll heißen: Beklagen kann sich keine Zeitung. Wobei: Medienpolitik durch Inserate in Millionenhöhe ist und bleibt verwerflich. An ihre Stelle gehört eine Medienförderung auf gesetzlicher (= einklagbarer) Grundlage gestellt, die hilft, Journalismus zu sichern.