Das Schweigen der Medien

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ANALYSE. Die vierte Gewalt ist Teil türkiser Affären. Umso bemerkenswerter ist, dass sie in Bezug auf Konsequenzen ähnlich zögerlich agiert wie die Volkspartei: Einzelne schaden allen.

Lang und breit schreibt „Der Standard“ über einen 166 Seiten starken Bericht der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), der gewissermaßen ein Kapitel türkiser Affären darstellt. Gewidmet ist er dem Chefredakteur und Herausgeber eines Mitbewerbers der Zeitung, nämlich Rainer Nowak von der „Presse“. Die gute Nachricht für diesen: Rechtlich hat er nichts zu befürchten, die WKStA sieht von der Einleitung eines Verfahrens ab. Es handelt sich jedoch um ein Sittenbild, das tief blicken lässt: Österreich ist ein Dorf, in dem auch Vertreter verschiedener Gewalten verhabert sind miteinander; in dem sie sich nicht scheuen, sich gegenseitig wissen zu lassen, was sie sich so wünschen würden – in dem es schlicht an professioneller Distanz mangelt.

Nowak soll Thomas Schmid, dem damaligen Generalsekretär im Finanzministerium, vor zweieinhalb Jahren geschrieben haben: „Jetzt musst du mir bitte beim ORF helfen.“ Antwort Schmid: „Unbedingt“. Es scheint um die Funktion des Generaldirektors gegangen zu sein, wobei Schmid nicht unmittelbar der richtige Ansprechpartner gewesen wäre. Er war damals jedoch Anlaufstelle für alle möglichen Begehrlichkeiten und stand auch im Austausch mit dem seinerzeitigen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP); insofern konnte es nicht schaden, über ihn auch Dinge auf die Post zu bringen, die nicht in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Die Hoffnung, dass sie bei der richtigen Stelle ankommen, war zumindest bei einer guten Beziehung berechtigt.

Selbst wenn das mit dem „beim ORF helfen“ nur ein Scherz gewesen wäre, wäre der Schaden angerichtet: Sebastian Kurz genoss zu Beginn seiner Amtszeit eine alles in allem wohlwollende Medienlandschaft. Er kam mit Verheißungen wie einem neuen Stil und einer großen Steuerentlastung durch, weil sie zu wenig abgeklopft worden sind. Das eine oder andere, wie dieses Sparen im System oder die Kürzung von Förderungen, hätte sich als dies herausgestellt: heiße Luft. Siehe die Patientenmilliarde, von der man heute weiß, dass sie im Zuge der Zusammenlegung von Sozialversicherungsträgern nicht zustande gekommen ist.

Nicht wenigen Menschen ist all das wohl nicht verborgen geblieben und hat zum Absturz der Vertrauenswerte der Medien in ihrer Gesamtheit beigetragen. Natürlich sind einzelne mehr und andere weniger oder im besten Fall überhaupt nicht davon betroffen. Alle sind jedoch Teil eines Problems: Wenn man bei Inseraten nie ausschließen kann, dass damit eine Gegenleistung verbunden ist, haftet das jedem einzelnen Regierungsinserat an, ganz egal in welchem Medium es erscheint.

Wenn Spitzenpolitiker und Journalisten wiederum auf Du und Du sind oder öffentlich bekannt wird, wie ein Chefredakteur einem nicht unwesentlichen (Ex-)Helfer eines (Ex-)Kanzlers persönliche Begehrlichkeiten mitgeteilt hat, dann strahlt das letzten Endes ebenfalls auf die gesamte Branche ab.

Insofern wäre nicht nur die ÖVP gefordert, Konsequenzen zu ziehen, sondern wären es auch die Medien. Zum Beispiel – in Sinne von Selbstkontrolle – durch eine Nachschärfung des Ehrenkodex der österreichischen Presse, sofern in diesem nicht ohnehin schon alles geregelt ist; dann müsste er nur ernsthaft „wiederbelebt“ werden. Nötig wäre jedenfalls ein sichtbares, vertrauensbildendes Zeichen, das über das hinausgeht, worauf es letzten Endes ankommt: Harte, aber faire Berichterstattung und Kommentierung im Sinne informierter Bürgerinnen und Bürger – wie es sie in sehr vielen Medien gibt, die jedoch umso mehr an sauberen Verhältnissen interessiert sein müssten. Sowie Verurteilung von Verhaltensweisen wie Verhaberung bzw. von jeglicher Formen von Korruption, ob strafrechtlich relevant oder nicht.

Zum Beispiel eben bei Regierungsinseraten: Zumal keine Obergrenzen dazu vorgesehen sind von den Koalitionsparteien ÖVP und Grünen, steht zu befürchten, dass das ein bevorzugtes, aber verfehltes Instrument der Medienförderung bleibt. Und dass hier auch Willkür möglich bleibt. Verstärkte Offenlegungen zu Verteilung und Zielen sind darüber hinaus zwar vorgesehen, die Beurteilung wird jedoch dem Salzamt überlassen. Das ist nicht ernst zu nehmen: Hier will man in Wirklichkeit nichts ändern. Das sollten sich die Medien nicht bieten lassen. Es ist auch so ein Wasserschaden, von dem Bundespräsident Alexander Van der Bellen gesprochen hat.

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