ANALYSE. Mückstein hat die Nachfolge von Anschober angetreten. Kompetenz, öffentliche Wirkung und Selbstbewusstsein werden entscheidend.
Zuschreibungen des Boulevards mögen von begrenztem Wert sein. „Cool“ (Tageszeitung „Österreich“) kann Wolfgang Mückstein (Grüne) als Gesundheitsminister jedoch passen. Sofern es ihn nicht allein dazu motiviert hat, den Anlass zu wiederholen; wie schon auf einer Pressekonferenz vor einer Woche hat er nun jedenfalls auch bei der Angelobung durch Bundespräsident Alexander Van der Bellen Turnschuhe getragen.
„Cool“ im Sinne solcher Äußerlichkeiten heißt zunächst noch wenig. Hier in diesem Text geht es um Souveränität, Kontrolliertheit und dergleichen. In Verbindung mit inhaltlicher Kompetenz, der Mückstein als Mediziner mitbringt, wäre das entscheidend für seine Lebensdauer in der Politik.
Das Amt des Gesundheitsministers ist gerade in der Pandemie und in dieser Koalition ein schweres: Ist Mückstein beliebt, bekommt er wie Anschober Probleme mit Bundeskanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz, der es nicht erträgt, in einem Schatten zu stehen. Gibt es Probleme, zum Beispiel beim Impfen, bekommt er es ebenfalls mit Kurz zu tun. Zumindest indirekt.
Im Grunde genommen war Anschober als Gesundheitsminister schon vor einigen Wochen am Ende, als er sich „seinen“ Impfkoordinator Clemens Martin Auer rausschießen ließ. Natürlich: Über Auer kann man streiten, sofern man jemanden findet, der ihn verteidigt. Aber: Anschober hat lange an ihm festgehalten. Doch zuletzt hat er ihn zum Bauernopfer werden lassen, das Kurz nach seinem inszenierten „Impfbasar“-Streit mit der EU gebraucht hat. Damit hat Anschober ein entscheidendes Stück Hoheit über sein Ressort abgegeben.
Was der neue Gesundheitsminister daraus lernen kann? Zunächst einmal ist es wichtig, für wen an seiner Seite er sich entscheidet. Wenn er sich einmal entschieden hat, ist das sein Team, das er sich von keinem Kanzler auseinandernehmen lassen darf.
Das ist einfacher gesagt als getan. Sich selbst stärken könnte Mückstein aber durch inhaltliche Kompetenz und eine öffentliche Wirkung, die er damit erzeugt: Wenn er es schafft, eine Mehrheit der Menschen in Österreich dafür zu gewinnen, was seines Erachtens notwendig ist, ist es schwer, ihn politisch anzugreifen oder ihm zu widersprechen.
Das gilt nicht nur für den Kanzler, sondern etwa auch für Landeshauptleute: Gegenüber ihnen muss ein Gesundheitsminister in Zeiten wie diesen mehr denn je eine Art Politik über die Bande betreiben. Anschober hatte schon recht, wenn er betonte, dass letzten Endes immer einvernehmliche Lösungen notwendig seien. Aber das heißt nicht, dass man sich von Leuten wie Platter oder Doskozil vorführen und demütigen lassen muss.
Auch hier gilt: Wenn ein Gesundheitsminister die öffentliche Meinung auf seiner Seite hat, dann ist er genauso schwer angreifbar wie das, was er will. Anders ausgedrückt: Wenn er es schafft, eine breite Mehrheit zu überzeugen, dass eine bestimmte Maßnahme zum Beispiel für Tirol oder das Burgenland nötig ist, werden die dortigen Landeshauptleute bald einmal zum Einvernehmen bereit sein.
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