Österreich lernt Schwedisch

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ANALYSE. Der Kanzler will den Menschen nicht mehr so viele Vorschriften machen, sondern mehr Eigenverantwortung zutrauen.

In den vergangenen Wochen ist es ja schon gesickert: Die Pandemie hat Österreich bisher recht gut überstanden im internationalen Vergleich. Aber eben nur die Pandemie: Wirtschaftlich steht Österreich nicht besser da als viele anderen Länder. Die Arbeitslosigkeit ist (bis April) sogar deutlich stärker gestiegen als in den deutschsprachigen Nachbarländern. Und die budgetären Aussichten sind düster: Bis zu zehn Prozent könnte das gesamtstaatliche Defizit heuer laut einer WIFO-Prognose betragen – und in den kommenden Jahren bis 2024 durchwegs über der Maastricht-Grenze von drei Prozent bleiben. Soll heißen: Noch einmal kann die Republik nicht auf einen Notbetrieb zurückgefahren werden, wie Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) den Lockdown im März umschrieben hatte. Das wäre eine Katastrophe, die Österreich in vielen Bereichen noch weiter zurückwerfen würde, der Wohlstandsverlust wäre schmerzlicher.

Der Schweiz geht es ähnlich. Sie hat jedoch von vornherein eine etwas andere Vorgangsweise gewählt: Dort setzen Politiker weniger auf Angstmache und mehr auf externe Expertise. Und dort gibt es vor allem auch keine Tabus. Die Covid-19-Task Force der eidgenössischen Regierung hat in diesem Sinne schon zeitgleich mit ersten Lockerungen nach Ostern empfohlen, dringend auch die Entwicklungen in anderen Länder zu verfolgen. Insbesondere auch das Modell Schweden müsse studiert werden.

Schweden? Warum Schweden? In unseren Breiten ist gerne von einem Sonderweg die Rede. Der Sonderweg bedeutet jedoch nicht, dass dort ganz gewöhnliche Normalität herrscht. Im Gegenteil, es ist eher nur so, dass den Menschen dort mehr Eigenverantwortung zugetraut wird.

Das kann, muss aber nicht gut gehen. In Stockholm sind bereits Lokale geschlossen worden. Im Übrigen ist das Virus in zahlreiche Seniorenheime eingedrungen und hat so zu vielen Todesfällen geführt. Noch aber hält das Zehn-Millionen-Einwohner-Land mit knapp 34.000 bestätigten Infektionen in Relation weniger als das 8,5-Millionen-Einwohner-Land Schweiz (knapp 31.000 Infektionen). Und selbst die Zahl der Todesfälle konnte im hohen Norden bisher auf einem Niveau gehalten werden, das dem einer größeren Grippe-Saison in Österreich entspricht.

Wie auch immer: Österreich bleibt nichts anderes übrig, als sich am schwedischen Weg zu orientieren. „Lockdown 2“ geht nicht, Bevormundung funktioniert bei Vorbildern wie Sebastian Kurz im Kleinen Walsertal oder Bundespräsident Alexander Van der Belle bis nach Mitternacht beim Italiener schon gar nicht.

Umso bemerkenswerter die radikale Kursänderung, die Sebastian Kurz nun via „Kronen Zeitung“ und andere Medien ventilieren lässt: „Weniger Regeln, dafür mehr Eigenverantwortung und Hausverstand“ soll es demnach in den nächsten Wochen und Monaten geben: „Wir dürfen wegen Corona das Leben jedes Einzelnen nicht überregulieren.“ An die Stelle bundesheinheitlicher Regelungen sollen im Übrigen regional unterschiedliche treten können.

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