Katastrophenkommunikation

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ANALYSE. Im Abschlussbericht der Ischgl-Kommission spielt der Kanzler eine wesentliche Rolle. Sie ist bezeichnend für die gesamte Krise.

Man sollte nie vergessen, über welchen Wissensstand Politik und Verwaltung vor einem halben Jahr verfügten in Bezug auf Corona und unter welchem Zeitdruck sie standen. Das relativiert einiges. Auch sehr vieles, was Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Abschlussbericht der Expertenkommission zum Tiroler Krisenmanagement zugeschrieben wird. Beispiele: Er habe auf einer Pressekonferenz am 13. März eine Quarantäne für St. Anton und das Paznauntal mit Ischgl verkündet, obwohl er über keine Zuständigkeit dafür verfügt; er habe das so getan, dass sich ausländische Gäste zur überstürzten Abreise gezwungen sahen, „Panik“ und „Chaos“ inklusive; die rechtliche Grundlage für die Maßnahme sei überhaupt erst später nachgereicht worden.

Wie gesagt: All das sollte im Lichte der damaligen Entwicklungen gesehen werden, so gut es geben geht. Das Problem ist nur: Die überstürzte Abreise der ausländischen Gäste hat unter anderem das Superspreading-Event „Ischgl“ noch größer gemacht als es etwa aufgrund der Fehleinschätzungen der Landessanitätsdirektion (Übertragung des Virus durch einen infizierten Barkeeper „eher unwahrscheinlich“) ohnehin schon war. Da wäre hinterher zumindest eine Entschuldigung bei den Opfern und ihren Angehörigen fällig, wie sie jedoch weder Kurz noch dem Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) über die Lippe kommt. Im Gegenteil: Kurz verwehrt sich dagegen, Ischgl zu einem Corona-Thema zu machen, er lehne Schuldzuweisungen ab, wie er ausgerechnet im deutschen Fernsehen erklärte.

Hier geht es jedoch um einen ganz anderen Punkt: Der Bericht der Expertenkommission provoziert im Grunde genommen eine Abrechnung mit der gesamten Krisenkommunikation: „Panik“ wurde auch in weiterer Folge noch ausgelöst, etwa mit der Aussage, dass bald jeder jemanden kennen werde, der an dem Virus gestorben ist. Auch weitere Maßnahmen wurden verkündet, ohne dass es dafür eine rechtliche Grundlage gab (die Tageszeitung „Die Presse“ bezeichnet diese Praxis treffenderweise als „Fake Law“).

Ja, bis in den Herbst hinein gab es gefühlt eine Pressekonferenz täglich und dann auch noch eine Reihe von Interviews, in denen Kurz erklärte, dass es Licht am Ende des Tunnels gebe und im nächsten Sommer fast alles wieder normal sein werde. Das führte zu einem Wendepunkt: Mitten im Tunnel stiegen die Infektionsahlen umgehend wieder stärker an – und die Ernüchterung war umso größer.

Ergebnis: Die Kommunikation kippte von einem Extrem ins andere. Plötzlich gab es kaum noch Informationen, aber umso mehr Gerüchte, die sich unkontrolliert entwickelten. Bis es eines davon, nämlich ein Lockdown ab 2. oder 16. November, am 10. Oktober als vermeintliche Nachricht sogar in die ZIB des ORF schaffte. Nicht einmal da gab es umgehend eine unmissverständliche Klarstellung der Regierungsspitze. Im Gegenteil: Message out of control.

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